Pressefreiheit und Persönlichkeitsschutz
Zur Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht und Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte
Severin Müller-Riemenschneider
Die Studie soll einen Beitrag zum Konflikt zwischen der Deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Falle der Wort- und Bildberichterstattung leisten. Im Mittelpunkt steht die Divergenz zwischen dem Anspruch prominenter Personen auf Wahrung ihres Persönlichkeitsrechts, insbesondere des Rechts am eigenen Bild, und dem Anspruch der Presse auf möglichst ungehinderte Berichterstattung über das Privatleben ebendieser. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie dessen Verhältnis zur Pressefreiheit wurden in den vergangenen Dekaden intensiv erforscht. Dennoch ist ein Ende der Diskussionen über die Ausgestaltung und Grenzen des Persönlichkeitsrechts nicht absehbar. Dies ist unter anderem auf die technologische Entwicklung und ökonomische Veränderungen zurückzuführen, denen ein massgeblicher Einfluss auf die Ausgestaltung des Persönlichkeitsrechts innewohnt. Die Studie kann dabei – aufgrund der Abhängigkeit des Persönlichkeitsrechts vom Fortschritt – wieder nur einen aktuellen Zwischenstand des andauernden Konflikts illustrieren. Eine erneute Erfassung der Grenzen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erscheint zum jetzigen Zeitpunkt besonders wünschenswert, da seit der Abkehr vom bisherigen Schutzkonzept, der Person der Zeitgeschichte, Rechtsunsicherheiten entstanden sind, die bislang in einem ungenügendem Masse eruiert wurden. Die Abwendung von der Person der Zeitgeschichte und die Hinwendung zum neuen, abgestuften Schutzkonzept des EGMR gingen einher mit der Aufgabe einer seit Jahrzehnten gefestigten Rechtsprechung, die bedingt vorhersehbar war. Die Konturlosigkeit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das Fehlen generell abstrakter Kriterien sowie der dem abgestuften Schutzkonzept innewohnende Wunsch, die Besonderheiten des Einzelfalls stärker zu berücksichtigen, führten dazu, dass in der jüngeren Vergangenheit eine verlässliche Prognose über den Ausgang eines Verfahrens kaum möglich war. Durch die Bestimmung und Gewichtung der massgeblichen Abwägungskriterien sollen diese entstandenen Rechtsunsicherheiten eingeschränkt werden, so dass es wieder möglich ist den Ausgang eines Verfahrens mit einer gewissen Zuverlässigkeit zu antizipieren.