Verfahrensmissbrauch nach Art. 11 SE-Richtlinie
Konkretisierung von Tatbestand und Rechtsfolgen einer Generalklausel
Daniela Salm
Mit einer Dauer von rund 40 Jahren umfasst kein anderes Gesetzgebungsverfahren der Europäischen Union einen längeren Zeitraum als dasjenige zur Schaffung der Europäischen (Aktien-)Gesellschaft – Societas Europaea (SE). °°Heute lockt die SE nicht nur mit ihrem europäischen Image und der Möglichkeit grenzüberschreitender Verschmelzungen oder Sitzverlegungen, sondern auch mit den Möglichkeiten zur Flexibilisierung der Arbeitnehmerbeteiligung. Gerade Letzteres löste bei Mitbestimmungsverfechtern die Befürchtung aus, man könne die SE zur „Flucht aus der Mitbestimmung“ nutzen. Positivrechtlichen Niederschlag fand diese Sorge in Art. 11 SE-Richtlinie. Die Auslegung dieser Vorschrift ist angesichts der enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe äußerst unklar. Daneben gilt es, das Unbehagen vor allem in mitbestimmungsfreundlichen Ländern gegenüber den mit dem Einsatz der SE verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten in anwendbares und vorhersehbares Recht umzusetzen. °°Dieser Herausforderung hat sich die Autorin angenommen. Ihr Ansatz unterscheidet sich deutlich von der bisherigen Literatur und (spärlichen) Rechtsprechung, die dem europäischen Charakter der Missbrauchsvorschrift und der Einbettung in die Gesamtregelung der SE zu wenig Sorgfalt widmen. Die Arbeit entwickelt eine konsistente, verfahrensorientierte Lösung, die vor allem dem Zusammenhang von SEVerordnung und SE-Richtlinie und der Binnenmarktordnung als Ganzes verpflichtet ist. Zugleich liefert die Arbeit einen Beitrag zum Umgang mit Generalklauseln im europäischen Sekundärrecht, ist insgesamt also besonders methodenorientiert.