Sprechen, Staunen, Schweigen
Ingeborg Bachmann und Max Frisch im Vergleich
Peter Wöhrle
Weite Teile der bisherigen Forschung verhandelten das literarische Verhältnis zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch unter dem Paradigma einer wechselseitigen Verarbeitung von Leben und Werk. Dieser intertextualisierende und meist biografisierende Zugriff, der sich in kriterial oft ungeklärter Weise auf die Liebesbeziehung der beiden Autoren berief, verstellte allerdings häufig den Blick auf die gemeinsame literarische Problemkonstellation: Die Bildnisproblematik und das Bemühen um die Darstellung des Unsagbaren, zentrale Themen Frischs, prägen auch Bachmanns Schaffen – und zwar schon lange bevor sie sich überhaupt begegneten.
In detaillierten Analysen repräsentativer Werke legt die vorliegende Studie jedoch nicht nur die Schnittpunkte, sondern auch die Differenzen der jeweiligen Ausgestaltung dieses Themenkomplexes dar. Die Sprache als „Medium des Bildnisses“ (W. Schmitz) und die Frage nach einem alternativen Ausdrucksmodus, der sich des verdinglichenden Zugriffs auf die Wirklichkeit nicht schuldig macht, bilden dabei das Zentrum des Vergleichs. Im Zuge der werkorientierten Untersuchungen wird gezeigt, dass Bachmanns Werk vor allem im Hinblick auf die politischen und (sprach-)philosophischen Dimensionen der Bildnisproblematik deutlich komplexer und radikaler ausfällt: Ihre Bildniskritik greift weiter als die des eigentlichen „Bildnistheoretikers“ Frisch.