Ein wunderliches Völkchen

Ein wunderliches Völkchen von Blumenstein,  Gottfried, Brankatschk,  Iris
Dass der 1724 in Budissin (Bautzen) geborene August Gottlieb Meissner in der deutschen Literaturgeschichte als der Begründer der Kriminalerzählung gilt, kommt nicht von ungefähr. Immerhin ist er aufgewachsen und wurde sozialisiert in der Region zwischen Neiße, Spree und Schwarzer Elster, die eine äußerst bewegte, aber eben auch sehr gewalttätige Geschichte durch die Zeiten erlebt hat. Da nimmt es nicht wunder, dass ein aufmerksamer Beobachter des oberlausitzischen Ach und Weh, der zudem ein großes Talent zum Schreiben hatte, zur Feder griff und von Mordbrennern, Messerstechern, Giftmischern und anderen Unholden in seinen Erzählungen zu berichten wusste. Vorliegende Geschichtensammlung, darunter auch eine von Meissner daselbst, die sich zumeist aus alten Gerichtsakten speisen, reflektieren die Geschehnisse dieser Region zwischen dem 15. bis 19. Jahrhundert und zeichnen ein facettenreiches Bild einer Gesellschaft, die nie zu Ruhe kam, sondern die sich in stetem Wandel befand und zwischen Gut und Böse hin und her taumelte. Einzigartig in deutschen Landen war, dass neben den Deutschen der größere Teil der Bevölkerung in der Lausitz eben slawischen Herkommens war, also Wenden (Sorben) waren, die sich wahlweise mal einem repressiven und gelegentlich aber auch lauen Germanisierungsdruck ausgesetzt sahen. Zahlreiche Kriege - die Hussitenfeldzüge ab 1420, der Dreißigjährige Krieg, die Schlesischen Kriege, die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und seinen europäischen Rivalen - durchfurchten die Oberlausitz. Die jeweiligen Herrscher wechselten je nach Gusto und Laune und pressten Bauern und Handwerker aus, so gut (oder eben schlecht) es halt ging. Erst 1830 wurde die Leibeigenschaft abgeschafft. Die Pest wütete wellenartig durch die Jahrhunderte in der Oberlausitz, so dass die wenigen Überlebenden in manchen Jahren nicht in Lage waren, die Ernte einzubringen. Andererseits verursachten periodisch anfallende Missernten existenzbedrohende Hungersnöte, die die Ansässigen zu Flüchtlingen machten, die außer Landes getrieben wurden. Bis nach Australien und Nordamerika wanderten oberlausitzische Wenden aus. Und nicht zuletzt verursachen Feuerbrünste in Städten wie Bautzen, Görlitz, Bischofswerda, Löbau oder Zittau verheerende Schäden. Dies alles zeitigte einen Menschenschlag, gehetzt von Schicksalsschlag zu Schicksalsschlag, der sich ein dickes Fell zulegte und der mit allen Wassern gewaschen war. Der Oberlausitzer verstand mit erlaubten und manchmal auch unerlaubten Mitteln für sein Recht zu kämpfen, denn nur so hatte man in solcherart wilden Zeiten (Victor Auburtin sprach in Bezug auf das Mittelalter von einer 'Höllenjauche') eine kleine Chance einigermaßen heil, all die Fährnisse zu überstehen und zu überleben. Aus Prozessakten des 16. bis 18. Jahrhunderts, die dem Chronisten Karl August Wildenhahn, Bautzener Kirch- und Schulrat, Mitte des 19. Jahrhunderts noch zu Verfügung standen, wird ersichtlich, dass selbst bei Nichtigkeiten von beiden Parteien selten klein beigegeben wurde, sondern sie ihren Fall bis zum bitteren Ende durchkämpften oder dass das Für und Wider so lange in der Schwebe gehalten wurde, bis entweder Kläger oder Ankläger verstarben. Neben Mord aus Eifersucht, aus Habgier oder purer Tötungslust einer vertierten Soldateska tauchten auch Probleme auf, die zwar eher einer zivilrechtlichen Klärung bedurften, aber die sich gelegentlich derart hochschaukelten, dass sogar von Krieg die Rede war. Etwa vom legendär gewordenen Bierkrieg zwisehen Görlitz und Zittau in den Jahren 1490-1491, der zwar keine Toten forderte, bei dem jedoch immerhin die Görlitzer ein Heer von 2 000 Mann rekrutierten, um ihr Recht durchzusetzen. Überhaupt war die Bierbrauerei, die zwar strengen, aber einigermaßen unübersichtlichen Gesetzen folgte, über all die Jahrhunderte ein beliebter Zankapfel von Brauern und Trinkern. Sehr gern mischten dabei auch die beiden in der Oberlausitz verbliebenen Klöster Marienthal und Marienstern mit ihren hochfahrenden Äbtissinnen mit, denn ihr Klosterbier spülte ordentlich Taler in die Kassen. Da ließen sie es nicht zu, dass da etwa ein kleines Bäuerlein, das zwar auch gewisse Rechte hatte, ihnen in die Quere kam und schalteten den Konkurrenten mit allen möglichen Tricks aus. Ein exemplarisches Beispiel hierfür haben wir in der Geschichte »Der Bierkrieg von Naußlitz« gefunden. Raub und Raubmord machte in den Medien zu allen Zeiten etwas her und wurde demzufolge reichlich und genüsslich ausgeschlachtet. Da hat sich von damals bis heute nur wenig geändert. Massenaufläufe bei Hinrichtungen und Hexenverbrennungen, die seinerzeit eine Art Volksfestcharakter hatten, gibt es heute zwar nicht mehr, dafür kann man im öffentlich-rechtlichen Fernsehen pro Woche bei zirka 40 bis 60 Tötungsdelikten hautnah und in Farbe dabei sein. Wenn das Privatfernsehen, Netflix und andere Streamingdienste (von stumpfsinnigen Ballerspielen gar nicht erst zu reden) hinzu gezählt werden, dann läuft momentan das Ganze komplett aus dem Ruder und die Zahl steigt ins Irrwitzige. Es ist hier freilich nicht der Platz, der Verrohung unserer Gesellschaft ins Wort zu fallen, aber bedenkenswert ist die Rückentwicklung hin zu mittelalterlichen Gewaltorgien schon. Wie auch immer, es waren wilde Zeiten in der Oberlausitz. Aber neben Verbrechen, Zwistigkeiten und anderen böses Blut verbreitenden Vorkommnissen, gab es freilich auch Bemühungen weittragender Menschlichkeit und Güte. So überlistete 1760 der Rittergutsbesitzer von Malschwitz die preußische Soldateska, um seinen Bauern und Häuslern großes Ungemach zu ersparen, 1759 gründeten in Bautzen Wohltäter einen Verein, der Witwen und Waisen über schlimme Zeiten hinweg half oder 1826 wurde in Görlitz eine aus dem Sudan stammende Afrikanerin herzlich willkommen geheißen in ihrer neuen Heimat.
Aktualisiert: 2023-04-16
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