Autor: Joseph Kleine

„Aufrichtig sein und redlich bringt Gefahr.“ William Shakespeare (1564-1616), „Othello“ “Anything goes” (1) in unserer postmodernen “permissive society”. (2) “Mach, was du willst!” Denn in einer Gesellschaft, in der es sich bei größter Liberalität mit nur wenigen Umgangsgrundsätzen gut leben lässt, sind keine Beschränkungen auferlegt. Ein universaler Wahrheitsanspruch unter philosophischem oder religiösem Aspekt wird abgelehnt oder kritisch befragt. Solidarität oder ein Gemeinschaftsgefühl sind aufgegeben. Pluralität und Freiheit sind erwünscht, gefordert und werden gelebt. Ein explizites und frappierendes Beispiel für eine solche Geisteshaltung und Vorgehensweise liefert der Beitrag (s. I. Teil) des früheren Soester Stadtarchivars Dr. Köhn über den Menschen und Künstler Fritz Viegener (1888-1976). Er hat sich zu einer inakzeptablen Schmähkritik hinreißen lassen. In seiner eigenen Logik befangen, war ihm der Blick verstellt. „Mangelnde Fähigkeit zur Perspektivenübernahme“, nennen es Psychologen. Da wir uns, mehr oder weniger bewusst, an einen gewissen „Wertekanon“ gewöhnt haben, bemerken wir manchmal schon gar nicht mehr, wenn andere nicht bereit sind, „Werte“ zu teilen. Sachlich, offen und entschieden ist deshalb Stellung zu nehmen. Da es zwar für ein „principiis obsta“ („Wehret den Anfängen!“) des römischen Dichters Ovid (Remedia amoris 91) zu spät ist, bleibt aber noch, „reinen Wein einzuschenken“, d.h. die Wahrheit zu eruieren und den wahren Sachverhalt aufzudecken und darzustellen. Möchten Sie in der Öffentlichkeit gedemütigt werden? Wie würden Sie reagieren, sollte man Ihren Ruf schädigen? Würden Sie es hinnehmen, wenn man Ihre Würde massiv missachtete? Sie wüssten sich mit allen Mitteln zur Wehr zu setzten. Erst recht, wenn jemand gezielt unwahre Tatsachenbehauptungen verbreitete und sie hartnäckig als sicher ausgäbe. Fritz Viegener ist seit 38 Jahren tot. Er kann sich nicht mehr wehren. Sonst würde er humorvoll und doch ganz entschieden und in aller Deutlichkeit die Dinge beim Namen nennen und der Wahrheit zum Durchbruch verhelfen. Er braucht sich nicht zu verstecken. Er war und ist integer. Er war und ist eine Persönlichkeit, als Mensch und als Künstler. Gerechtigkeit und Freiheit waren ihm hohe Güter, keine leeren Floskeln, hohle Worthülsen. Er hat sie praktisch, konkret in seinem Alltag, in seinem Leben realisiert. Den aufrechten Gang hat er gewagt: Bei Entscheidungen in seinem privaten, persönlichen Bereich, ob bei der Berufswahl oder seiner Heirat mit „Ruth“, die Komplikationen mit dem Elternhaus zur Folge hatten, oder während der NS-Diktatur mit seinem Bekenntnis zu christlichen Werten durch seine Werke mit Öffentlichkeitscharakter oder auch hier durch sein Eintreten für seine Frau und für Menschen, auch Juden, in Not. Fritz Viegener hat seine Überzeugung nicht verraten. Er war ein positiv denkender Mensch mit Humor, ein kerniger Typ Mann. Fritz Viegener hat das Soester Stadtbild wesentlich mit geprägt und bereichert. Er hat seine Spuren hinterlassen. Sie sind auch heute nicht zu übersehen. Von Gästen der Stadt werden sie respektvoll wahrgenommen. Möge diese Publikation dazu beitragen, dass Fritz Viegener endlich der Respekt entgegengebracht wird, den er verdient. Er hatte eine hohe Reputation. Sie wurde ihm grausam genommen.