Alltag in der Diktatur – Erinnerungen an das dörfliche Leben in der Wedemark von Hauptmeyer,  Carl-Hans, Hemme,  Otto, Stöber,  Martin, Wernstedt,  Rolf, Zychlinski,  Helge

Alltag in der Diktatur – Erinnerungen an das dörfliche Leben in der Wedemark

Ein Symposium im Rahmen des Projekts Geschichte der Wedemark von 1930–1950

Einleitung
Martin Stöber – Geschäftsführer des Niedersächsischen Instituts für
Historische Regionalforschung e. V.
Vor fast genau einem Jahr durfte ich bereits einmal – mit großer Freude – die Einleitung für eine Veröffentlichung schreiben, die Ergebnisse eines Symposiums, das die Gemeinde Wedemark durchgeführt hat, dokumentiert. Die damalige Veranstaltung widmete sich der Leitfrage „Erinnern – wozu überhaupt?“ und wurde im Rahmen des Vorhabens „Die Geschichte der Wedemark von 1930 bis 1950“ veranstaltet. Das Symposium vom 9. November 2017 ist ebenfalls Teil dieses Projektes, das Bürgermeister Helge Zychlinski 2014 ins Leben gerufen hat und das seither Dr. Franz Rainer Enste mit großem Engagement koordiniert. Auch thematisch knüpft das diesjährige Treffen unter der Überschrift „Alltag in der Diktatur – Erinnerungen an das dörfliche Leben in der Wedemark“ an seinen Vorläufer an.
Durch die Dokumentation des Symposiums sollen die wichtigsten inhaltlichen Beiträge über den Tag hinaus bewahrt werden. Da ist zunächst die „Begrüßung“ durch Bürgermeister Helge Zychlinski – eine Rede, die eigentlich weit mehr thematisiert, als der nüchterne Titel erwarten lässt: Sie ist ein eindrucksvolles Plädoyer für Toleranz, Wahrhaftigkeit und Demokratie im Allgemeinen und stellt den Wert von Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur für die Gegenwart und Zukunft im Besonderen heraus.
Auch das diesjährige Symposium ist wieder der Ort einer Buchvorstellung. Erschien 2016 der erste Band der Beiträge zur Geschichte der Wedemark von 1930 bis 1950, in dem Sabine Paehr über die „Verfolgung während der NS-Zeit – Strukturen und Schicksale in den vormals selbständigen Gemeinden der Wedemark“ schreibt und Helge Kister den Einsatz ausländischer Kriegsgefangener und Zivilarbeiter erforscht, liegt nunmehr der dritte Band der Schriftenreihe vor: „Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in den Dörfern der heutigen Wedemark. Der politische Wandel in den Gemeinden in der Zeit der Weimarer Republik“. Er stammt wiederum aus der Feder Sabine Paehrs und widmet sich der Analyse der Wahlergebnisse der Jahre von 1919 bis 1933. Und der emeritierte hannoversche Professor Carl-Hans Hauptmeyer hat es übernommen, im Rahmen des Symposiums diese Publikation in einem „Kurzkommentar“ vorzustellen. „Warum entscheiden sich große Gruppen der Wähler, bewusst so zu wählen, dass die Demokratie abgeschafft wird?“ Mit dieser Frage leitet der Historiker seinen Beitrag ein, der von der Wedemark und der Arbeit Sabine Paehrs ausgehend nach Antworten auch in der überregionalen, allgemeinen Geschichte sucht.
Mit Otto Hemme kommt aber auch ein „echter“ Wedemärker – genauer: ein „echter“ Elzer – zu Wort. Er berichtet über die gemeinsame Arbeit mit Heinrich Frank und Max Steinborn, die sich als Arbeitsgruppe innerhalb der „Historischen Arbeitsgemeinschaft Wedemark“ vor allem die Erforschung der Geschichte Elzes in der Epoche zwischen 1930 und 1955 auf die Fahne geschrieben haben. Ergebnisse der Recherchen werden demnächst unter dem Titel „Leben in einem deutschen Dorf von 1930 bis 1950“ in Buchform erscheinen. Zahlreiche Aspekte vom Alltäglichen bis zu den zeittypischen Schicksalen von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen, Verfolgten oder Vertriebenen sollen so vor dem Vergessen bewahrt und Lokalgeschichte soll durch den Abdruck von Dokumenten und Fotografien veranschaulicht werden. Auch durch fundierte Heimatforschung werden Lücken geschlossen.
Für den Festvortrag konnte Professor Rolf Wernstedt gewonnen werden, zwischen 1990 und 1998 Niedersächsischer Kultusminister, dann bis in das Jahr 2003 Präsident des Niedersächsischen Landtages und anschließend bis 2017 Landesvorsitzender des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. in Niedersachsen. Höchst vielschichtig und tiefschürfend befasst sich Professor Wernstedt mit dem Thema „Die Kultur der Erinnerung – Eckpfeiler bundesdeutscher Identität“. „Erinnerung“ und „Erinnerungskultur“ werden als Topoi analysiert, der Entstehung beziehungsweise Konstruktion eines kollektiven historischen Gedächtnisses und einer nationalen Narration im 19. Jahrhundert wird nachgegangen und die prägende Rolle der Geschichte des 20. Jahrhunderts „für die erinnerungskulturelle Gestalt der heutigen deutschen Gesellschaft“ herausgearbeitet. Ein Alleinstellungsmerkmal der Erinnerungskultur in unserem Lande sei das Bemühen, insbesondere mit Blick auf die Gräuel der NS-Zeit, „eine negative Erinnerung im nationalen Selbstbild zu verankern.“ Diese Bemühungen sind keine akademischen Spielereien: Es gehe darum, für die Epoche nach dem Ableben der Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges zu garantieren, dass nachfolgende Generationen sich einer Erinnerungskultur verpflichtet sehen, die helfe, Krieg und Völkermord zu verhindern.
Auch die Programmpunkte des Symposiums, die in diesem Band nicht in Form von Textbeiträgen dokumentiert werden können und müssen, seien an dieser Stelle gewürdigt. Zu erwähnen ist vor allen Dingen das Engagement der jungen Musikerinnen und Musiker der Musikschule Wedemark, die durch hervorragende Gesangs- und Instrumentalbeiträge für einen angemessenen künstlerischen Rahmen sorgten.
Sabine Paehr ergänzte den „Kurzkommentar“ Carl-Hans Hauptmeyers durch eine Power-Point-Präsentation ausgewählter Ergebnisse ihrer Arbeit über die Wahlen in der Phase der Weimarer Republik. Zu wünschen ist, dass ihr Beitrag bei den zahlreichen Anwesenden das Interesse geweckt hat, den Band 3 der Schriftenreihe zur Hand zu nehmen und sich intensiver mit der Materie zu beschäftigen.
Ferner war es meine Aufgabe, den „Stand der Forschungsarbeiten zur Situation der Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter und zu Vorschlägen für mögliche Gedenktafeln in Erinnerung an das Schicksal der durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft auf dem Gebiet der heutigen Wedemark umgekommenen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter“ zu erläutern. In diesem Zusammenhang ist ausdrücklich zu betonen, dass die geschilderten Ergebnisse aus umfangreichen Recherchen resultieren, die Helge Kister vom Arbeitskreis Regionalgeschichte e. V. vorgenommen hat. Ihm gelang es vor allen Dingen, die Liste derjenigen Personen zu vervollständigen, die als Kriegsgefangene, als Zwangsarbeiter oder in anderer Funktion im Raum Wedemark zu Tode kamen – auf welche Art auch immer. 19 Opfer, Kinder, Frauen und Männer, sind derzeit namentlich bekannt. Es wird aber weiterhin geforscht. In einem zweiten Schritt bemühte sich Helge Kister, die letzten Ruhestätten dieser Personen zu ermitteln – eine aufwendige, oft erfolglose Suche, da die Verstorbenen zwar mehrheitlich in der Wedemark bestattet, jedoch später oft umgebettet wurden.
Der wichtigste Anlass für diese Forschungen war der Wunsch der Gemeinde Wedemark, Erinnerungsorte zu schaffen, an denen dieser Opfer namentlich gedacht werden kann. Ein möglicher Ort sind deren letzte Ruhestätten in der Wedemark. Im Rahmen des Symposiums wurde daher auch ein erster Entwurf für eine Hinweistafel präsentiert. Wo, mit welchem Text und in welcher äußeren Form letztendlich der Opfer gedacht wird, sollte am Ende eines Diskussionsprozesses entschieden werden.

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