Christliche Botschaft und Ockhamsche Philosophie
Die spätscholastische Umwälzung
Heinz-Helmut Möllmann
Das aus der Antike stammende Christentum wurde in der mittelalterlichen
Scholastik adaptiert und erhielt eine lehrmäßige Struktur. Wenn Wilhelm
Ockham (1285–1347) die Scholastik revidiert und viele ihrer grundlegenden
Selbstverständnisse verwirft, kommt spätscholastisch die Transformation
einer Transformation in den Blick. Anders als in der Frühscholastik, als
das Erkennen direkt begründet werden musste, geschieht das nicht mehr
voraussetzungslos, sondern in Bezug auf vorhandene Mittel. Man konnte so
auch nicht wie in der Neuzeit mit so schien es unumschriebenen Mitteln neu
beginnen und vorgeben sie erst ausfindig zu machen. In Ockhams Version der
Scholastik büßt das Gottesbild, nicht ohne historische Wirkung, die primäre
Deutlichkeit ein. Gott hört damit auch auf, stets zugleich Norm und Objekt für
den Verstand zu sein, der vielmehr durch die eigene theoretische Form an
Autonomie gewinnt.