Das Neue Bauen für den Neuen Menschen
Zur Wandlung und Wirkung des Menschenbildes in der Architektur der 1920er Jahre in Deutschland
Tanja Poppelreuter
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickeln sich in vielen Bereichen der Kultur und der Gesellschaft Reformbestrebungen aller Art. Die damit verbundene Aufbruchstimmung, die sich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Beginn der Weimarer Republik noch verstärkt, wird von der Hoffnung auf ein egalitäres Zeitalter und eine neue Gesellschaft getragen, die sich aus „Neuen Menschen“ bilden soll.
Die Suche nach der adäquaten Behausung dieses Neuen Menschen ist ein Leitthema im Denken zahlreicher Architekten der 1920er Jahre und Angelpunkt der Diskussion um die Reform verschiedener Bauaufgaben. Ein- und Mehrfamilienhäuser, kollektive Wohnhochhäuser sowie Siedlungen und städtebauliche Planungen werden im Hinblick auf einen Neuen Menschen konzipiert. Theoretiker und Architekten wie Adolf Behne, Ludwig Mies van der Rohe oder Ludwig Hilberseimer beziehen sich auf Erkenntnisse zeitgenössischer Mediziner, Soziologen oder Psychologen, um die neuen Wohnbedürfnisse in Erfahrung zu bringen und die weitere soziale Entwicklung des modernen Individuums zu prognostizieren.
Indem das vorliegende Buch das Menschenbild des Neuen Bauens der 1920er Jahre in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt, widmet es sich einem Gegenstand, dem die architektur- und kunstgeschichtliche Forschung gegenwärtig immer größere Aufmerksamkeit schenkt.