Der Geburtenrückgang in der modernen Industriegesellschaft
Zum Spannungsverhältnis von Mutterschaft und Erwerbsarbeit am Beispiel der DDR
Beate Clausnitzer
Die Anzahl erwerbstätiger Frauen in Deutschland ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen – eine Entwicklung, die sich in der DDR bereits seit den 1960er Jahren vollzog. Von Beginn an hatte hier die politische Führung auf den möglichst uneingeschränkten Einbezug aller Frauen in die Erwerbsarbeit gesetzt – und sah sich Mitte der 1960er Jahre mit einem Rückgang der Geburten konfrontiert. Dass es in der DDR zumindest vorübergehend Ende der 1970er Jahre zu einem leichten Anstieg der Geburtenzahlen kam, wird heute als Erfolg sozialpolitischer Maßnahmen gewertet.
Für die gegenwärtigen politischen Versuche, unter dem Schlagwort der „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ sowohl die Geburtenentwicklung umzukehren als auch den eklatant werdenden Mangel an Arbeitskräften durch eine Steigerung der Frauenerwerbsquote zu kompensieren, haben die sozialpolitischen Maßnahmen der DDR Modellcharakter.
Ihre Analyse zeigt, dass die mit dieser Politik verbundenen Prämissen das kulturelle Verständnis von Mutterschaft und damit einhergehend die Sozialisation von Kindern veränderten. Doch hat die in der DDR praktizierte Familien- und Geburtenpolitik dabei auch ihr Ziel einer langfristigen Stabilisierung der Geburtenentwicklung erreicht – und ist sie ihrem Versprechen einer „Vereinbarung von Mutterschaft und Erwerbsarbeit“ gerecht geworden?
