Der Witz der Relationen: Komische Inkongruenz und diagrammatisches Schlussfolgern im Webcomic XKCD
Lukas R. A. Wilde
Randall Munroes www.XKCD.com ist derzeit eine der erfolgreichsten Webcomic-Serien weltweit. Das erstaunt insofern, als die graphische Gestaltung zumeist auf ein Minimum an Strichmännchen reduziert ist und der Humor oft aus mathematisch-naturwissenschaftlichen Insider-Gags besteht. Ein häufig wiederkehrendes Element bilden dabei auch komische Diagramme, absurde Infografiken oder selbstreferenzielle Graphen. Obgleich derzeit eine regelrechte Inflation der Grafik in allen Gesellschaftsbereichen zu beobachten ist, scheint zumeist Einigkeit darüber zu bestehen, dass es sich dabei für gewöhnlich um keine sonderlich lustige Angelegenheit zu handeln scheint. Worin besteht also der besondere, überaus populäre Humor von XKCD, wenn Munroe hier Erkenntnisvermittlung mit den Mitteln des Comics aufs Korn nimmt – und was lässt sich dabei umgekehrt über die Plausibilität und Anwendbarkeit so manch anderer, genuin ‚dummer‘ Grafik lernen? Lukas Wilde untersucht unter Bezugnahme auf Uwe Wirths „Grenzphänomene des Verstehens“ zunächst Optionen der Hypothesenbildung, vor allem von Abduktion und Witz, um diese auf Peirces prozessuale Erkenntnislogik abzubilden. Das Erkennen qua assoziativer Entdeckung von Ähnlichkeiten wird dazu in Goodmans Symboltheorie überführt und im Konzept des mappings wieder auf pragmatische Anschließbarkeiten und Handlungsaktualisierungen symbolischer Systeme hin befragt. Die kulturwissenschaftliche Relevanz des Humors liegt dabei – exemplarisch anhand von XKCD – in der Wechselwirkung zwischen dem Verstehen komischer Phänomene und dem Komischwerden des Verstehensprozesses selbst. Mit der ‚komischen Infografik‘ erschließt die Untersuchung nicht nur einen originellen und hochaktuellen Gegenstandsbereich, sondern bietet auch einen einsteigerfreundlichen Überblick über den gegenwärtigen Stand der Diagramm-Forschung – mit einem Fokus auf semiotischen und erkenntnistheoretischen Perspektiven. Der Ansatz zu einer Humortheorie des Diagrammatischen richtet sich an Bildwissenschaftler, die hier auch die Grenzen zur impliziten Komik des Forschungsfeldes originell ausgelotet finden.