Deutschland, Italien und die slavische Kultur der Jahrhundertwende
Phänomene europäischer Identität und Alterität
Gerhard Ressel
Die Kultur der Länder Osteuropas und hier v.a. deren Literatur, Kunst und Philosophie unternimmt – besonders seit der epochalen Zäsur vor gut einem Jahrzehnt – in ihren führenden Vertretern den Versuch einer geistigen Neuorientierung. Hierbei wird der Blick in die jüngere Vergangenheit gerichtet, um zunächst die eigenen Traditionen freizulegen, kennen zu lernen und geistig zu verarbeiten. Bei der Suche nach den Wurzeln kultureller und politischer Identität sowie der Vergewisserung eigenständiger Alterität geht der Blick zurück in Zeiten vergleichbarer Epochenbrüche und richtet sich nicht nur bei osteuropäischen Intellektuellen in den letzten Jahren zunehmend auf die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Ins kulturhistorische Visier gerät damit eine Grenze, die mit der Jahreszahl 1900 nicht eindeutig festgelegt werden kann, der aber trotzdem eine zentrale Bedeutung zukommt. Es ist also berechtigt, auf die Richtungen und Konstellationen in Kunst, Literatur und Philosophie um die Jahrhundertwende zu achten. Vieles Unbeachtete macht deutlich, wie sehr die kulturelle Entwicklung der slavischen Länder mit der Westeuropas zusammenhängt.