Deutschland und die USA im Vor- und Nachmärz
Politik - Literatur - Wissenschaft
Birgit Bublies-Godau, Marion Freund, Thomas Giese, Astrid Haas, Christian Hansen, Willi Kulke, Ladislaus Lönnecker, Anne Meyer-Eisenhut, Laura Nippel, Alexander Ritter, Wilfried Sauter, Sigrid Thielking, Uwe Zemke
Die USA – Terra incognita für die meisten Europäer im frühen und mittleren
19. Jahrhundert – spielten als Modell staatswissenschaftlichen, verfassungsrechtlichen
und politischen Denkens bei den Vertretern und Verteidigern
der monarchischen Herrschaft und ihres Machtgefüges genauso wie bei
den Anführern und Anhängern gemäßigter und radikaler Reform-, Oppositions-
und Widerstandsbewegungen, aber auch an deutschen Universitäten
und Akademien, in literarischen und philosophischen Zirkeln, in Unternehmer-
und Verlegerkreisen, Künstlerbünden und der medialen Öffentlichkeit
eine zentrale Rolle. Zugleich stellte die Neue Welt ein Sehnsuchtsziel
für Freiheitsliebende, politische Flüchtlinge, Auswanderungswillige und
Wirtschaftsmigranten, aber auch bisweilen die gefürchtete Endstation für
verbannte Gefangene dar: Das Spektrum der Funktionen, Aufgaben, Bilder
und Vorstellungen ist breit, das die Vereinigten Staaten von Amerika in der
Wahrnehmung der Zeitgenossen im Vor- und Nachmärz einnahmen und das
ihnen zugeschrieben wurde – nicht zuletzt auch in der (Emigrations-)Literatur.
Gerade die repressive, restaurative Politik in Europa und hier vor allem in
den Einzelstaaten des Deutschen Bundes bildete für viele unter Verfolgungsmaßnahmen
und Zensurbedingungen arbeitende und leidende Oppositionelle,
Intellektuelle, Gelehrte und Kulturschaffende den Ausgangspunkt für
ihre intensive Auseinandersetzung mit dem Verfassungs-, Regierungs- und
Gesellschaftssystem der USA und den dort, wie es scheint, ohne Probleme
vertretenen und verwirklichten Ideen von Freiheit, Demokratie, Recht,
Föderalismus, Republik und Revolution und inspirierten sie gleichzeitig
zu einer umfassenden künstlerischen und wissenschaftlichen Beschäftigung
mit den jenseits des Atlantiks vorgefundenen und noch näher zu erkundenden
Kulturen, Sprachen und Landschaften. Diese waren – ebenso wie die
Ur-Einwohner, die Native Americans, und die als fremdartig empfundene
afro-amerikanische Bevölkerung oder das Leben in den von Deutschen
dominierten Siedlungsgebieten und Stadtteilen – häufig Gegenstand von
wissenschaftlichen Abhandlungen, länderkundlichen Studien, Reiseberichten,
Auswanderungsratgebern, Lebenserinnerungen und autobiographisch
fundierten Werken, historischen Romanen und Erzählungen sowie von journalistischen
Reportagen.