Die umworbene Stadt
Stadtgestalt und Werbung im Fokus von Denkmalpflege und Baukultur
Dietmar Kreutzer, Bernard Liechti, Peter Strasser
Graz wirbt…
für seine Auszeichnung als UNESCO World Heritage, als UNESCO City of Design und für viele weitere Auszeichnungen.
Werbung ist längst ein wichtiges Element der Stadtgestaltung geworden, das wesentlich in den öffentlichen Raum eingreift. Manche Werbezeichen werden zu „Landmarks“, zu identitätsstiftenden Orientierungspunkten. Die Aktualität der Werbesujets im öffentlichen Raum stellt auch einen Indikator für die Geschäftigkeit und Lebendigkeit einer Stadt dar. Nichts dokumentiert so sehr den wirtschaftlichen Niedergang einer Stadt, wie Werbeplakate im öffentlichen Raum aus längst vergangenen Jahren.
Doch darf deshalb der öffentliche Raum mit allen Mitteln und Methoden als Werbefläche genutzt werden? Haben nicht auch die Bewohnerinnen und Bewohner einer Stadt – jenseits wirtschaftlicher Interessen – das Recht, unumworbene Stadträume zu erleben? Graz und viele europäische Städte sind herausragende, über Jahrhunderte gewachsene Kulturdenkmäler. Diese haben sich oftmals gewandelt, haben die Werbeflut der Industrialisierung durchlebt und im letzten Jahrhundert gelernt, dass die historische Architektur ein unwiederbringlicher Wert für den Stadtraum ist, den es zu erhalten gilt. Dafür haben die Städte viele – auch unpopuläre – Maßnahmen ergriffen, um die Stadtgestalt positiv herauszustreichen.
Graz präsentiert stolz seine historische Architektur und die Stadtverwaltung setzt seit Jahrzehnten darauf, die Stadt mit Rücksicht auf die Erfordernisse der Altstadterhaltung weiter zu entwickeln. Diese Entwicklung glückt nur, weil die Interessen der Gesellschaft vor Einzelinteressen gestellt werden, weil also der öffentliche Raum nicht zur Agitationsfläche einzelner wird.
Im Bereich der Werbung scheint diese Prämisse der qualitativen Stadtentwicklung- und Gestaltung nur teilweise verstanden worden zu sein. Viele Wirtschaftstreibende setzen noch immer Quantität im Werbeauftritt vor qualitätsvoller Zurückhaltung. Aber nicht nur an historisch wertvollen Fassaden setzen die bunten Firmen- und Produktbotschaften störende Zeichen. Auch der öffentliche Straßenraum, die Gehsteige und Plätze werden als Werberaum ohne Gebühr beansprucht und erwecken den Eindruck, vordergründig als Konsumraum zu existieren. In vielen Städten und hier vor allem an den Stadteinfahrten ist der Straßenrand längst zu einer durchgehenden Plakatwand mutiert. Das traditionelle Stadtbild mit Kirchtürmen, Rathäusern und Architekturdenkmälern, das uns auf Autobahnen den Hinweis auf nahe touristische Ziele liefert, ist an den Stadteinfahrten nicht auffindbar. Dort regieren Megaposter auf Stahlstützen und an Hausfassaden die abgelöst werden von Lärmschutzwänden.
Das Symposium des Internationalen Städteforums in Graz, das sich seit einigen Jahren wiederkehrend den unbequemen Fragen der Altstadterhaltung widmet, schafft in der internationalen Zusammenarbeit eine neue Qualität der Diskussion. Die Beiträge aus unterschiedlichen europäischen Städten lassen Lösungsansätze und Regelungen erkennen, die ein Stück des Verhandlungs- und Entscheidungsweges abkürzen können, um Architektur- und Stadtraum wieder in den Vordergrund zu stellen.