Erinnerungen an die Ackerstraße
Sybille Schulze
In einer autobiographischen Familiensaga holt die Autorin nicht nur viele Begleiter ihrer Kindheit – allen voran ihre geliebte Oma – ins Bild, sondern malt auch die Umstände und Hintergründe dieser Zeit in kräftigen Farben und mit liebevollen Details aus, nicht zu vergessen die reizvolle Natur ihrer Heimat. Es ist keine Biographie oder eine historische Dokumentation, auch kein Roman, vielmehr schaffen die zahlreichen intensiv gestalteten Mosaiksteine aus dem persönlichen Umfeld ein Panoptikum des Lebens und der Welt.
Es ist die Zeit nach dem 2. Weltkrieg, der in ihrer Heimatstadt Dessau unendliche Zerstörung und persönliches Leid hinterlassen hat – Faktoren, die die Darstellung entscheidend prägen. Sybille Schulze versteht es aber, trotz aller Tragik auch die Lichtblicke, die es in jeder Verzweiflung gibt, erscheinen zu lassen. Und so manche Episode erlebt der Leser verstehend und schmunzelnd mit. Es ist also kein trauriges Buch.
Rückblicke in die Vergangenheit ihrer Begleiter – bis ins 19. Jahrhundert hinein – erlauben das Verständnis für deren aktuelles Verhalten, beschreiben sie doch zugleich in sehr plastischer Weise Lebensumstände, die heute nicht mehr vorstellbar sind.
Andererseits aber reicht die Saga bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts, welche geprägt waren durch den Widerstreit der gesellschaftlichen Systeme. Und die lebendige Beschreibung der daraus resultierenden Wirkungen auf die persönlichen Lebensumstände der Autorin und ihrer Begleiter ruft gerade diese Zeit für manchen damaligen Zeitgenossen erhellend ins Bewusstsein zurück.