Etablierung einer Injektionsnarkose mit Medetomidin, Ketamin und Butorphanol für den Humboldtpinguin (Spheniscus humboldti Meyen, 1834) in zoologischen Einrichtungen von Widmer,  Dimitri Roberto

Etablierung einer Injektionsnarkose mit Medetomidin, Ketamin und Butorphanol für den Humboldtpinguin (Spheniscus humboldti Meyen, 1834) in zoologischen Einrichtungen

Im Rahmen dieser Studie wurde erstmals eine intramuskulär applizierte Injektionsanästhesie unter Verwendung von Medetomidin, Ketamin und Butorphanol bei 22 Humboldtpinguinen (Spheniscus humboldti) im Alter von 1 – 35 Jahren aus 3 zoologischen Einrichtungen untersucht. Die Zielsetzung bestand darin, eine Alternative zur Inhalationsnarkose zu etablieren, welche sich durch Sicherheit für Anwender und Patient, Zuverlässigkeit der Wirkung sowie Praktikabilität auszeichnen sollte. Dabei sollte mindestens eine tiefe Sedation erreicht werden, welche schmerzlose bis mäßig schmerzhafte Untersuchungen oder Behandlungen bei ausreichender Analgesie und Muskelrelaxation ermöglicht. Die Möglichkeit, diese Studie durchzuführen, wurde opportunistisch wahrgenommen, da 9 männliche und 12 weibliche Humboldtpinguine aufgrund erhöhter Inzidenz aviärer Mykobakteriose in den Herkunftsbeständen für umfangreiche Diagnostik immobilisiert werden mussten. Diese umfasste neben Allgemeinuntersuchung und Blutentnahme auch digitales Röntgen und Computertomographie. Ein weiterer männlicher Pinguin wurde wegen intermittierender Lahmheit ebenfalls computertomographisch untersucht und hierfür anästhesiert. Die Untersuchungen fanden innerhalb von 4 Tagen am selben Ort unter weitgehend standardisierten Bedingungen statt. Die Pinguine wurden am Morgen des jeweiligen Untersuchungstages an den Untersuchungsort transportiert, wo ihre Identität geprüft sowie KM, Ernährungs-, Erregungs-, und Gesundheitszustand beurteilt wurden. Die mittlere KM der Tiere betrug 3,66 ± 0,52 kg, wobei die männlichen Tiere mit 4,06 kg eine höhere mittlere KM als die weiblichen mit 3,34 kg aufwiesen. Nachfolgend wurden 0,05 mg/kg KM Medetomidin, 5 mg/kg KM Ketamin und 0,5 mg/kg KM Butorphanol in einer Mischspritze vorbereitet und die Anästhesie durch intramuskuläre Injektion in die Brustmuskulatur eingeleitet, wofür die Tiere kurzzeitig manuell fixiert wurden. Die ruhige und exzitationslose Einleitungsphase in einem abgedunkelten Raum folgte bei allen Patienten 4 Stadien: erste Anzeichen des Wirkungseintritts (Taumeln, Schwanken, Orientierungslosigkeit) im Mittel nach 2,0 ± 1,6, Ablegen in Sternallage bei angehobenem Kopf im Mittel nach 2,3 ± 1,7, Ablegen der Schnabelspitze im Mittel nach 3,8 ± 3,5 und seitliches Ablegen des Kopfes im Mittel nach 5,2 ± 5,5 min. Bei 2 Tieren wurde aufgrund unzureichender Wirkung nach 17 bzw. 20 Minuten 50% der initialen Dosis in einer zweiten Injektion verabreicht, was in der Folge auch bei diesen Patienten zu einer guten Sedation führte. Die Einleitungsphase war beendet, wenn die Tiere eine gute Muskelrelaxation aufwiesen und eine Manipulation ohne Abwehrreaktionen möglich war. Dieser Zustand war nach durchschnittlich 10,7 ± 4,3 min erreicht. In der darauffolgenden Untersuchungsphase, deren Länge im Mittel 34,7 ± 5,3 min betrug, wurden mittels eines tragbaren Patientenmonitors physiologische Parameter in Form der relativen peripheren arteriellen Sauerstoffsättigung (SpO2), Herzfrequenz (HF) und Körperinnentemperatur (KT) permanent überwacht. Die Atemfrequenz (AF) wurde durch Adspektion überwacht. Zudem wurde ein Elektrokardiogramm der bipolaren Extremitätenableitungen I – III abgeleitet und zu Beginn der Untersuchungsphase für jeweils 30 Sekunden aufgezeichnet. Bei allen Patienten wurde die Atemluft mit 0,5 l/min 100% O2 per lockerer Schnabelmaske angereichert. Gemäß dem Reflexschema mit Punktescore zur Bestimmung der Narkosetiefe bei Vögeln nach Korbel (2004) wurden 12 Körper- und Schmerzreflexe geprüft. Physiologische Parameter wie auch Reflexausprägung wurden, soweit möglich, in 5-minütigen Intervallen protokolliert. Unterbrochen wurde dies durch die radiologische Untersuchung, welche im Mittel 9,9 ± 2,7 min dauerte und zeitlich etwa in der Mitte der Untersuchungsphase lag. Der niedrigste mittlere Punktescore gemäß oben genanntem Schema betrug 5,89 ± 0,9 Punkte 15 min nach Beginn der Untersuchungsphase, wobei Korneal- und Pupillenreflexe zumeist vollständig erhalten blieben. Der Beginn der Untersuchungsphase zeichnete sich jedoch durch gute Analgesie und Muskelrelaxation aus. Bei 15 Patienten wurde zudem die Intubationsfähigkeit durch Stimulation der Glottis und oberen Trachea mittels Wattetupfer simuliert, welche bei 9 Tieren (60%) gegeben gewesen wäre. Das Nachlassen der Muskelrelaxation machte sich ab etwa 20 min durch Zunahme der Nackentonus und Kopflage bemerkbar. Eine Zunahme der Schmerzreflexe zeigte sich ab etwa 25 min. Bis Minute 40 der Untersuchungsphase stieg die mittlere Punktzahl auf 9,91 ± 2,21. Somit lag bei keinem Patienten eine chirurgische Anästhesietiefe gemäß Reflexschema nach Korbel (2004) vor. Die AF betrug im Mittel 10,67 ± 4,67 bis 14,55 ± 4,45 Atemzüge (AZ)/min und zeigte keine signifikante Veränderung über die Zeit. Die SpO2 nahm während des Untersuchungszeitraums jedoch statistisch signifikant ab (p=0,0362). Sie reichte im Mittel von 95,50 ± 3,78 bis 88,44 ± 6,99% und war somit trotz der Abnahme in einem akzeptablen Bereich. Die mittlere HF nahm ebenfalls statistisch signifikant ab (p=0,0073) und reichte von 113,81 ± 23,03 bis 101,65 ± 25,42 Schlägen/min. Sie befand sich somit jedoch auch am Ende der Untersuchung noch innerhalb publizierter Referenzbereiche. Anhand der Elektrokardiogramme konnte bei 2 Pinguinen das Vorliegen von Extrasystolen sowie bei 1 Tier ein atrioventrikulärer Block 2. Grades nachgewiesen werden. Es konnte kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der Anästhesiedauer und der KT gefunden werden. Die mittlere KT der Pinguine lag konstant bei durchschnittlich 39,22 ± 0,51 – 39,77 ± 0,76°C und somit geringgradig oberhalb des Referenzbereichs. Bei keinem Tier kam es zu einer bedrohlichen Hyperthermie, was vor dem Hintergrund der teilweise hohen Umgebungstemperatur von bis zu 28,3°C erwähnenswert ist. Zum Zeitpunkt der Antagonisierung mit Atipamezol in der 5-fachen Dosierung des injizierten Medetomidins nach durchschnittlich 45,1 ± 7,3 min wies der überwiegende Teil der Patienten (86,36%) bereits einen deutlichen Muskeltonus auf, während das Sensorium stets noch stark getrübt war. Während der Erholungsphase wurde bei 14 Patienten (63,64%) leichtes Flügelschlagen in Sternallage beobachtet. Eine gezielte Reaktion auf äußere Reize zeigten die Tiere im Mittel nach 16,8 ± 9,4 min. Mit Ausnahme von 2 Pinguinen war das sichere Stehvermögen im Mittel nach 50,1 ± 34,6 min gegeben. Bei den 2 erwähnten Tieren musste die Beobachtung wegen des Rücktransports vorzeitig beendet werden. Die mittlere AF während der Erholungsphase betrug 12,25 – 13,95 AZ/min und wies somit nur einen geringen Unterschied zur Frequenz während der Untersuchungsphase auf. Die Pinguine zeigten sich am Ende der Beobachtungsdauer aufmerksam und bei klarem Sensorium, jedoch deutlich ruhiger als im präanästhetischen Zustand. Das definitive Ende der Erholungsphase konnte aus praktischen Gründen nicht bestimmt werden, da die Tiere am Ende des jeweiligen Untersuchungstages zurück in die Herkunftszoos transportiert werden mussten. Bis auf einen Pinguin, welcher in der Aufwachphase perakut infolge einer Myokardruptur ungeklärter Ursache verstarb, verlief die Erholungsphase bei allen Patienten ohne Komplikationen. Durch Rückmeldungen der Halter wurde am Folgetag bestätigt, dass alle Vögel wieder ein normales Verhalten aufwiesen. Die weiterführende Diagnostik ergab das Vorliegen teilweise schwerwiegender Krankheitsprozesse. Diese umfassten granulomatöse Veränderungen von Lunge und Leber aufgrund aviärer Mykobakteriose bei 6 Pinguinen, wenige glatte Steine im Magen von 2 Pinguinen, einen stark gefüllten Magen trotz 12-stündiger Nahrungskarenz bei 1 Pinguin, perforierende gastrische Fremdkörper bei 2 Pinguinen sowie einen frei in der Körperhöhle befindlichen Fremdkörper bei 1 Pinguin.
Die Anwendung stellte sich als praktikabel und sicher heraus, die Wirkung trat rasch und zuverlässig ein. Es wurde initial eine tiefe Sedation bis Hypnose mit guter Muskelrelaxation sowie guter Analgesie, hingegen nicht das Stadium chirurgischer Toleranz erreicht. Als Nachteil ist die zwar ruhige, jedoch protrahierte Erholungsphase zu sehen. Die Anwendung bei Pinguinen, die unmittelbar wieder in ihr Gehege oder, im Falle freilebender Tiere, ihr natürliches Habitat entlassen werden müssen, ist daher nur eingeschränkt zu empfehlen. Die Inhalationsnarkose konnte um ein effektives und sicheres Protokoll zur tiefen Sedation und Hypnose oder Einleitung einer Allgemeinanästhesie per Injektion erweitert werden.

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