Fiskalischer Föderalismus in Europa.
62. Wissenschaftliche Tagung der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute vom 29. und 30. April 1999.
Am Beginn des 21. Jahrhunderts existieren in Europa mehrere Spielarten eines föderalen Staatsaufbaus. Im Zuge der europäischen Integration ist ein Spannungsfeld zwischen der Wahrnehmung von Aufgaben auf der europäischen und der nationalen Ebene entstanden. Die Analyse der verschiedenen Facetten der theoretischen und politischen Diskussion über den fiskalischen Föderalismus in Europa steht im Mittelpunkt des vorliegenden Bandes.
Hansmeyer konstatiert in Europa eine grundsätzliche Tendenz zur Zentralisierung. Diese äußert sich sowohl auf der nationalen als auch auf der europäischen Ebene. Erforderlich ist eine kritische Prüfung der staatlichen Aktivitäten im Sinne der stärkeren Rückbesinnung auf die Prinzipien des fiskalischen Föderalismus.
Lammers zeigt, daß die nationale Ebene in ihrer regulativen Kompetenz bedroht ist, weil regionale Faktoren für die Standortentscheidungen für Personen und Unternehmen und damit für die wirtschaftliche Entwicklung stärker ins Blickfeld rücken. Dieser Prozeß hat sich, so Zimmermann, selbst in den föderal organisierten Staaten nicht hinreichend in Reformen beim Staatsaufbau und bei der Zuweisung von Kompetenzen an die verschiedenen staatlichen Ebenen niedergeschlagen. Ein kreativer Wettbewerb zwischen den Regionen wird damit behindert. Dies zeigt Rosenfeld in einer kritischen Analyse des deutschen Beispiels eines kooperativen Föderalismus. Für dessen Rechtfertigung jenseits aller Fehlsteuerungen im einzelnen findet Oberhauser indes eine Reihe von Gründen.
Hinsichtlich des Nationalstaats im internationalen Systemwettbewerb plädiert Büttner für den Steuerwettbewerb. Er untermauert seine Position empirisch mit dem Verweis auf den bestehenden kommunalen Steuerwettbewerb. Krause-Junk befürchtet hingegen für die europäischen Staaten eine Aushöhlung der Steuerautonomie und des ruinösen Wettbewerbs, dem durch Harmonisierung in der Besteuerung begegnet werden sollte. Im Hinblick auf die Systeme der sozialen Sicherheit konstatiert Meinhardt Spielraum für nationale Eigenheiten, solange die jeweilige Kostenbelastung die Wettbewerbsposition nicht gefährdet. Für die empirische Untermauerung dieser These sieht Lorz aber Diskussionsbedarf.
Anhand der Budgetregeln im Maastrichter Vertrag legt Vesper dar, in welches Spannungsfeld inbesondere föderal organiserte Staaten durch die Einwirkung der europäischen Ebene geraten können und welcher Reformbedarf für die nationale Finanzverfassung daraus resultiert. Wrede weist in diesem Zusammenhang auf die Gefahren von Fehlsteuerungen hin, wenn untergordnete Gebietskörperschaften zu weite Verhandlungs- und Gestaltungsspielräume erhalten. Er spricht sich für klare, strikte Bindungen aller gebietskörperschaftlichen Ebenen aus.
Was sind die Lehren aus dem fiskalischen Föderalismus für eine Finanzverfassung der EU? Mallossek tritt im Sinne des fiskalischen Wettbewerbsföderalismus für einen Rückschnitt der europäischen Kompetenzen zugunsten der Mitgliedsstaaten und Regionen ein und hält die Beitragsfinanzierung für die adäquate, disziplinierende Form der Finanzierung. Busch hingegen plädiert dafür, der Europäischen Union eine Finanzverfassung zu geben, die eine eigenständige Einnahmenhoheit der europäischen Ebene vorsieht.