Hans Kelsen und die Europäische Union
Erörterungen moderner (Nicht-) Staatlichkeit
Tamara Ehs
Hans Kelsens pluralistisch begründete Staats-/Rechtstheorie, konzipiert vor dem Hintergrund des ethnisch, sprachlich, kulturell und religiös heterogenen Gemeinwesens der Habsburgermonarchie, gewinnt angesichts der Europäischen Union wieder an Bedeutung. Denn bei Kelsen basiert „der Staat“ nicht auf Ethnie, Kultur oder gar einer Seele, sondern gründet auf der Rechtsgemeinschaft der Normunterworfenen: Staat (als Recht) und Nation (als kulturell-ethnische imagined community) werden entkoppelt. Die Aktualität der Kelsenschen Lehre liegt in der wertfreien, herz- und gottlosen Definition von politisch verfassten Entitäten und der Gleichsetzung von Recht und Staat.
Hauke Brunkhorst stellt Kelsen als wissenschaftlichen Revolutionär vor, dessen Reine Rechtslehre als Kampfansage an den Staatswillenspositivismus erst das Rechtssystem der EU ermöglicht hat.
Thomas Olechowski untersucht die Präambeldiskussionen der Europäischen Union mit Kelsens Staats- und Verfassungsbegriff.
Lars Vinx hinterfragt Kelsens Identitätsthese in Hinblick auf die Rechtstaatlichkeit der Europäischen Union.
Jürgen Busch und Tamara Ehs verwenden Kelsens Lehre als Bezugspunkt für eine Europäische Rechtsphilosophie.