Höllisches Hell von Mannsdorff,  Peter

Höllisches Hell

Stadt unter der Stadt

Gentrifizierung
Schönes Wort – grausame Realität
Der Begriff „Gentrifizierung“ hat sich allmählich in den Sprachgebrauch eingeschlichen und immer mehr Menschen wissen, was es bedeutet:
Einerseits die Schaffung von neuen, großzügigen Luxuswohnungen in den besten Lagen der Großstädte, also die Möglichkeit, sich in den Zentren und den zentrumsnahen Vierteln standesgemäß niederzulassen, was für die gesamte Immobilienbranche, vom Makler und Bauträger bis zu den Generalunter-nehmern ein hervorragendes Geschäft ist, das zudem die Innenstädte immer noch weiter aufwertet und nicht zuletzt einen nennenswerten Beitrag zum Bruttosozialprodukt liefert,
andererseits die Zerstörung gewachsener Quartiere und ihrer sozialen und kulturellen Gefüge durch die rigorose Vertreibung der alteingesessenen Mieter aus ihren Wohnungen, aus den kleinen Ladengeschäften und Handwerksbetrieben. Ganze Straßenzüge werden von Immobilienspekulanten nach und nach aufgekauft. Danach wird den Mietern das Leben mit rüden Methoden schwergemacht, und wer die Zeichen der Zeit zu spät erkennt oder einfach partout nicht weichen will, wird spätestens nach der Renovierung feststellen, dass er die nun geforderten Mieten beim besten Willen nicht aufbringen kann.

Dem Glück und der Freude der neuen Eigentümer und Mieter stehen so, ohne dass sie voneinander wissen oder sich je begegnen, Leid, Drangsal und Ver-zweiflung derjenigen gegenüber, die vertrieben werden. Das ist Gentrifizierung.
Das ganz große Geschäft damit gelingt allerdings nur, wenn es den treibenden Kräften der Immobilienbranche und den finanzierenden Banken gelingt, die Verantwortlichen Köpfe in der städtischen Hierarchie mit ins Boot zu holen und sich auf diese Weise freie Fahrt durch die Hürden des Baurechts zu verschaffen und zugleich die Kosten für ggfs. nötigen sozialen Ausgleich gering zu halten.
Natürlich stehen solche Zweckbündnisse, auch wenn sie hochoffiziell unter dem Titel „Stadtentwicklung“ vorangetrieben werden, stets zumindest im Ruch der Korruption, doch nachweisen lässt sich nur selten etwas.
Hier setzt der Berliner Autor Peter Mannsdorff an.
Den Fortschritt der Gentrifizierung hat er bei jeder Fahrt durch seine Heimatstadt, ja bei jedem Spaziergang im eigenen Kiez deutlich vor Augen.
Er schreibt die Geschichte von zwei Journalisten, Jan Vodbert und Sonja Miton, die ein Interview mit dem Berliner Bausenator verabredeten, in dessen Verlauf er unter Umständen hochbrisante Unterlagen übergeben wollte. In seinem Feriendomizil auf Hiddensee treffen sie ihn aber nur noch tot an. Offiziell Herzversagen, inoffiziell Selbstmord, am wahrscheinlichsten: Mord.
Die Akten werden geschlossen, auch die Presse hakt nicht wirklich nach. Ein Fall, der nach wenigen Tagen der Aufregung schnell in Vergessenheit gerät.Jahre später werden Sonja und Jan erneut an diesen Fall erinnert und nehmen die Spurensuche wieder auf. Sie entdecken das Geheimnis, das der Bausenator öffentlich machen wollte, den Plan, zu dessen Schutz er sterben musste.
Tief im Untergrund Berlins ist eine gigantische und seelenlose Wohnmaschine entstanden. Ein Ort, an dem die Opfer der Gentrifizierung kostengünstig und sozialverträglich entsorgt werden sollen. Die Szenerie erinnert an Fritz Langs weltberühmten Film Metropolis, doch diesmal ist die Unterwelt nicht der Ort, an dem die Verdammten die schwere Arbeit verrichten, es nicht der Ort der Ausbeutung, des Sklaventums. Peter Mannsdorff spinnt den Gedanken weiter und macht deutlich, dass die hochproduktive Überflussgesellschaft nicht nur Waren und Leistungen im Überfluss erzeugt, sondern in immer größeren Ausmaß auch überflüssig Menschen.
In Hell, so heißt die unterirdische Großstadt, gibt es keine Arbeit. In Hell, in diesem höllischen Hell, werden die Überflüssigen aufbewahrt. Jene die für die Produktion nicht benötigt werden, jene, deren Konsum auf das Notwendigste beschränkt ist, jene von denen keine wirtschaftlichen Wachstumsimpulse mehr ausgehen.

Sie sind abgeschrieben und existieren in einer Art „Grundsicherungs-Reservat“, dessen Unterhalt insgesamt kostengünstiger zu sein scheint, als der Sozialhilfe-satz + Mietkosten + Heizkosten. Zudem entfällt der gesamte Verwaltungsapparat in den Job Centern. Solange die Lüftungsanlage funktioniert und die Versorgung mit Lebensmitteln nicht ins Stocken gerät, braucht man an diese Menschen keinen Gedanken mehr verschwenden – und falls die Lüftung oder die Versorgung ausfällt, braucht man es im Grunde auch nicht.

Peter Mannsdorff, geb. 1957, studierte Romanistik und Germanistik an der FU in Berlin. Seine Geschichten bewegen sich auf einem schmalen, gewundenen Pfad zwischen der harten, oft grausamen Realität – und ihrer grotesken, surrealistischen Überzeichnung. Wo dazwischen die Grenzlinie verläuft, lässt Mannsdorff jeden Leser selbst entscheiden.
Die Idee für „Höllisches Hell“ entstand in der Auseinandersetzung mit den immer radikaleren Auswüchsen der so genannten „Gentrifizierung“, der auch in Berlin bereits viele alte, gewachsene Wohnviertel zum Opfer gefallen sind, oh-ne dass ein Ende der zwangsweisen Umsiedlung durch unbezahlbare Luxussanierungen abzusehen wäre. Mannsdorffs Novelle kann, gerade weil sie abseits vom realen Gerangel um den Abriss der „East-Side-Gallery“ oder vom Projekt „Media-Spree“ in einer dystopischen Fiktion angesiedelt ist, zwei ganz wichtige Erfahrungen transportieren, ohne sofort hässliche juristische Auseinandersetzungen auszulösen. Das ist die albtraumhafte Ausweglosigkeit, vor der die Betroffenen stehen, und es ist die albtraumhafte Hilflosigkeit, die jeden Versuch, zwischen der Gier der Spekulanten und den Bedürfnissen der Menschen zu vermitteln, schon vom Ansatz her zunichtemacht.

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