Im Buchhaus
Wohnzimmer, Bücherei, Buchhandlung
Michael Schikowski
Die entscheidenden Erfahrungsorte der Literatur sind ›Buchhäuser‹: Wohnzimmer, Bücherei und Buchhandlung. Sie sind für die Literatur unverzichtbar wie Schauspielhäuser für Theaterstücke oder Kinos für Filme. Im Wohnzimmer zeigt sich Buchkultur als privater Buchbesitz. In der Bücherei ist es die öffentliche Buchleihe und in Buchhandlungen der Buchkauf, die als soziale Praxen einen spezifischen Umgang mit Büchern zeigen. Das Zur-Schau-Stellen im Wohnzimmer – ob im Bücherschrank, im Bücherbord oder im offenen Bücherregal –, die Konventionen der Zugänglichkeit in der Bücherei wie die Möglichkeit der Käuflichkeit in der Buchhandlung sind Ausdruck unseres Verständnisses von Literatur. Sie zeigen, was uns Bücher bedeuten.
Im Rahmen der Veränderungsprozesse von der bürgerlichen hin zur postmodernen Stadt verändern sich die Präsentationsbedingungen für Bücher in öffentlichen Büchereien und Buchhandlungen. Das wichtigste Merkmal ist die Abschaffung der Grenze, die einst der Tresen bildete, vor den die Entleiher in der Bücherei und der Kunde in der Buchhandlung traten.
Bildung ist ›implizites‹ Wissens: Es kann nicht isoliert und abgelöst von Zusammenhängen verwertet werden. Das Wissen ist an Menschen gebunden und darum Erfahrung. Es ist an Bücher gebunden und darum Erlebnis. Diese Zusammenhänge sind konkret, handgreiflich und unmittelbar leiblich erfahrbar. Mit dem Verschwinden der Buchhäuser, so die These des Autors, geht zugleich die Möglichkeit unmittelbar erfahrbarer Bildung zurück.
Michael Schikowski ist ausgebildeter Buchhändler und arbeitet für Verlage. Er ist Lehrbeauftragter für Buchkultur der Universität Düsseldorf, Mitherausgeber der Zeitschrift ›Non Fiktion‹ und schreibt den Blog www.immerschoensachlich.de. Schikowski hat bereits in früheren Veröffentlichungen verbindende Aspekte der Bildung und Buchkultur thematisiert. So die sich im Zeitalter der Digitalisierung verändernde Buchkultur in ›Warum Bücher? Buchkultur in Zeiten der Digitalkultur‹, Bücher als ästhetische Gegenstände in ›Glanz und Melancholie. Anmerkungen zur Buchgestalt‹ und Lesen als soziale Praxis in ›Über Lesen. Ferne und Nähe großer Romane‹. Im vorliegenden Band behandelt er die sozialen Orte der Bücher und des Lesens: das Wohnzimmer, die Bücherei und die Buchhandlung. Alle Publikationen sind im Bramann Verlag erschienen.