Lenzing
Anatomie einer Industriegründung im Dritten Reich
Roman Sandgruber
Die Wirtschaftsgeschichte der NS-Zeit in Oberösterreich ist durch eine Reihe großer Unternehmensgründungen geprägt. Gerade für die Zeit des Nationalsozialismus mit der engen Verschränkung von Staat, Partei und Wirtschaft, mit der öffentlichen Gründungstätigkeit, den staatlichen Zwangsmaßnahmen und dem allgegenwärtigen Überwachungsstaat erweist sich eine unternehmensgeschichtliche Fallstudie als erfolgversprechender Weg: Die Standortsuche in einem alten Industrieraum, die Enteignung der jüdischen Vorbesitzer, der überstürzte Aufbau ohne Rücksicht auf die Kosten, die hervorbrechende Korruption, der „Zellwollimperialismus“, die Netzwerke der Führungsebene, der Einsatz von Zwangsarbeit, das Frauenkonzentrationslager, die Ernährungsversuche mit der „Biosynwurst“ in Mauthausen, der abschließende Verteilungskampf um das Erbe und um die Weiterführung. Dass aus dem Chaos des Kriegsendes in Lenzing eine unternehmerische Erfolgsgeschichte werden konnte, ist nicht nur der Lage in der amerikanischen Besatzungszone und der ausländischen Hilfe zu danken, sondern war auch mit einem harten Sanierungskurs und dem fast völligen Ausscheiden der damaligen Aktionäre verbunden. 1949 waren die grundlegenden Maßnahmen getroffen, war die alte Zellstoff- und Papierfabrik war restituiert. Das Lenzinger Wirtschaftswunder konnte beginnen.