Leser, sei achtsam! Eine narratologische Analyse der Erzählerfiguren in Apuleiusʼ Metamorphosen nach Gérard Genette
Rebecca Kahl
Die sexuelle Identität bzw. das Gefangensein des Bewusstseins in einem falschen Körper sind keineswegs Themen, die erst in der Neuzeit an Relevanz gewannen und die Menschen hauptsächlich unter dem Stichwort Diversity beschäftigen. Ganz im Gegenteil: Schon die Antike hat sich mit sexueller Identität, Vielfalt und deren Wahrnehmung auseinandergesetzt.
Vordergründig mit der Thematik des Bewusstseins im falschen Körper befassen sich auf bisweilen humoristische Weise die Metamorphosen des Apuleius. In diesem einzigen vollständig erhaltenen lateinischen Roman wird nämlich der Protagonist durch Zauberei in einen Esel verwandelt, behält dabei allerdings sein menschliches Bewusstsein. So wird er in die Lage versetzt, dass seine neue Gestalt ihn zum unerkannten Zuhörer und Zeugen zahlreicher menschlicher Neigungen, Exzesse und Perversitäten werden lässt, die er wiederum mit seinen Leser*innen teilt.
Inwiefern es ihm dabei gelingt, den anderen Erzählerfiguren individuelle Züge und Urteile zuzugestehen, ist der Gegenstand des vorliegenden Buchs. Es enthält die erste zusammenhängende narratologische Analyse für die gesamten XI Bücher der Metamorphosen des Apuleius, die hauptsächlich unter Hinzuziehung des Instrumentariums von Gérard Genette erstellt wurde.