Nach 1914
Der Erste Weltkrieg in der europäischen Kultur
Michael Braun, Oliver Jahraus, Stefan Neuhaus, Stéphane Pesnel
Thomas Manns, Robert Musils, Hermann Brochs und Alfred Döblins
Romanfiguren erleben den Ersten Weltkrieg als „Schlafwandler“
(C. Clark). Diese Metapher der europäischen Geschichtsschreibung
ist vielsagend: Inwiefern waren die Akteure des Krieges „blind,
von Alpträumen geplagt“ gegenüber den Folgen dieser „Ur-
Katastrophe“ des 20. Jahrhunderts? Literatur, Film und Bildende
Kunst erzählen nicht, wie der Krieg gewesen ist, aber wie es zum
Krieg gekommen ist und was er im Bewusstsein der Zeitgenossen
und in der Erinnerung von ihnen und den Nachgeborenen bewirkt
hat. Nach 1914 arbeiten Fiktionalität, poetische Wahrheit und die
Sprache der Erinnerung mit am Gedächtnis des Weltkrieges und
offenbaren so ihr mediales Potenzial. Daraus ergibt sich eine interdisziplinäre
Mediengeschichte des Ersten Weltkriegs, die dieser
Band facettenreich dokumentiert.
In den hier versammelten, aus einer Berliner und einer Pariser
Tagung (2014) hervorgegangenen Beiträgen steht eine Erfahrung
im Zentrum, die historisch – und in nahezu jeder anderen Hinsicht
– in ihrer Schrecklichkeit und Intensität so neu war, dass sie
sich nicht an vorhandenen Maßstäben messen ließ und in ganz
unterschiedlicher Weise Zeitgenossen wie auch Überlebende
überfordert hat. Die Auseinandersetzung mit dieser Wahrheit, mit
dieser Erfahrung und die Erinnerung daran wurden daher schon
im Krieg, vor allem danach zu einem Problem der Darstellung, der
Reflexion, der Ästhetisierung und mithin der Literatur und anderer
Medien im gemeinsamen Kontext.
Die Reihe der Beiträge wird eröffnet mit einem Originalbeitrag des
britischen Historikers Christopher Clark.