Ohrenberg oder der Weg dorthin von Popp,  Steffen, Toepfer,  Andreas

Ohrenberg oder der Weg dorthin

Roman

Von Finnland her, im abgetragenen Eisenbahnanzug seines Vaters schiebt Aschmann sich vor, schiebt sich in Graf Ohrenbergs Geistschleifen zu einem Gebirge zusammen, nicht unähnlich jenem, in dem Ohrenberg, der Erste Gemeindearbeiter, umhergeht, Salz auf vereiste Wege streut, Funksprüche ausgibt, während Aschmann, einst Sekretär Ohrenbergs, Kulturfunktionär und Vertreter für Kurzwaren, unaufhaltsam sich nähert, aufgebrochen zu seiner womöglich letzten Reise, seinerseits Geistschleifen um das astronomische Kabinett Ohrenbergs schnürt, um den Funkturm im thüringischen Bergland, diese ‚tektonische Auffaltung von eher geringer Bedeutung‘.
Was verbindet sie, ein Telegramm, ein Skistock aus dem Winter ’42? Graf Ohrenberg und Aschmann definieren, sondieren, orten und befragen sich, wetteifern kühn um Realien des Wunders und die Homunkuli ihres ‚elefantischen Daseins‘, erfüllt von Hinterlassenschaften eines kaum erst vergangenen Jahrhunderts, die sie bewohnen.

Leseprobe
Ein schwaches Licht, das ihn hier noch erreicht, auf seinem Turm, im Eis; ein abgebrochener Jesuit, mit Bart, beinahe glatzköpfig, der, wenn er Holz einschlägt, mit Gott redet – einfach nur in diesen Schlägen, begreift er in diesem Moment, gegen das wimmernde Holz rede ich wahrhaft mit Gott. Einmal dabei, will Ohrenberg weitere Gedanken zur Situation anfügen, endlich Wahrheiten aussprechen, die seine Existenzleistung in dem Gebirge hier direkt betreffen – die Heizung seines Turms im Angesicht einer Welt, die mit der Sonne warm wird, die Bewältigung des lebendigen Augenblicks zwischen den Gegenständen – aber dann treibt ihn ein Anfall von Hunger von seinem Sitz: erst sucht er Schokolade auf dem Tisch, durchwühlt verschiedene Ablagen, dann gibt er auf, steigt aus dem astronomischen Kabinett in die Küche ab. Schwache Reflexe in der Kühlschranktür, Ohrenberg klappt seinen Kiefer auf: keine Bewegung ist zu erkennen, Ohrenberg klappt seinen Kiefer wieder zu, betastet seinen Schädel: der Leninkomplex ist abgeheilt, lediglich Kopfschmerzen sind ihm geblieben. Graf Ohrenbergs physiognomische Bestandsaufnahme, vor der Tür seines Kühlschranks, Bilanz, nun ja, des 20. Jahrhunderts, das alles – ist zu vernachlässigen, im Hinblick auf den vereisten Innenraum, der leer ihn anstarrt. Ein aussichtsloses Unterfangen, hier irgendwelche Lebensmittel aufspüren zu wollen; auch unten im Dorf, Ohrenberg schaut auf seine Uhr: alle Verkaufsstellen haben geschlossen. Alle Verkaufsstellen, seit fünfundzwanzig Jahren, geschlossen; Graf Ohrenberg, unterversorgt, dem Mangel ausgesetzt, seit er hier in dem Osten angelandet ist – und Aschmann, nun auch: wahnhaften Funksprüchen nachfolgend, bohrt er sich mit Kurs auf Ohrenbergs Funkturm in die Region ein, das Thüringer Bergland – reiß dich zusammen, Ohrenberg, denkt Ohrenberg, Aschmann ist weit, nah ist der Kühlschrank, gähnt das Objekt, grinst es vereist dich an: du solltest dich um etwas zu essen kümmern; unten im Dorf, bei den Bewohnern, anläuten: entfernte Nachbarn, die protestantisch, ehrenamtlich, überall tätig sich aufwerfen – dort ausgehungert auftreten und einen Kanten Brot erbitten.

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