Ostseeküste – Ostseebad
Von der Entdeckung des Nordens zur Entstehung der deutschen Ostseebäder im 19. Jahrhundert
Hans-Christian Bresgott
Wie gelangt man von Arkadien nach Swinemünde? Galten noch bis zur Jugendzeit Goethes die Stätten der klassischen Antike als maßgebliche Reiseziele der Eliten, so wurden schon Ende des 18. Jahrhunderts die Küsten des Nordens zum neuartigen Faszinosum. Als wild galt ihre Natur, und diese Wildnis bevölkerte eine romantische Phantasie mit alten Heldengeschichten.
Aus dieser ideellen Verbindung von Natur und Geschichte entstand ein neuer Sehnsuchtsraum. Zugleich diente das Meer selbst mit seinen Seebädern dem Körper. Das kalte Wasser, im Barock noch verpönt, gewann im Spiel der Ozeanwellen eine Heilkraft, die das häufig wirkungslose Wissen der Ärzte beflügelte und den städtischen Eliten Genesung versprach.
Nach englischem Vorbild von engagierten Ärzten vorangetrieben, entstanden auch an der deutschen Ostseeküste Seebäder. Fortan galt es, den Küstenraum, bislang ein Ort des Fischfangs, als Therapieraum zu entwickeln. Wie aber sollte sich das Badeleben gestalten, wie die Anreise, wie die Finanzierung des Kurortes?
Erzählt wird hier die Geschichte einer mentalen wie körperlichen Aneignung des Nordens und des Meeres. Das Ostseebad wird dabei begriffen als Schnittpunkt von Natur- und Kulturgeschichte, als Wirtschaftsmodell und als Triebkraft neuer sozialer Dynamik: abzulesen an der Anlage neuer Orte am Meer, der Konzeption eines idealen Strandes, an Baderegeln und Verhaltensnormen, die teilweise bis heute gelten._