Paul Geheeb: Gemeinschaft und Familie im Landerziehungsheim
Birte Lembke-Ibold
Paul Geheeb (1870-1961) gründete im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts gemeinsam mit seiner Frau Edith zwei bekannte reformpädagogische Schulen in Deutschland und der Schweiz: die Odenwaldschule und die Ecole d’Humanité. Er integrierte in seine Pädagogik wie seinen persönlichen Lebensstil zahlreiche Forderungen der deutschen Lebensreformbewegung um 1900. Dazu zählte die ganzheitliche Entwicklung der individuellen Persönlichkeit im Rahmen einer Lebensgemeinschaft. In seinen Landerziehungsheimen sollten sich Kinder und Jugendliche fernab der Industriegesellschaft, aber auch ihrer eigenen Familien, an dem Vorbild gebildeter Frauen und Männer orientieren, mit denen sie in sogenannten Schulfamilien zusammenlebten. Damit lenkte Geheeb schon sehr früh den Bildungsfokus vom Unterricht fort hin zum sozialen Lernen. Im Rahmen dieser Studie wird, mit Hilfe zahlreicher Quellen, dem Verständnis und der Bedeutung dieses Geheebschen Ideals von Gemeinschaft und Familie erstmals systematisch nachgegangen. Es werden dabei zahlreiche historische Verbindungen zur Umbruchssituation insbesondere des Bürgertums im Deutschland der Jahrhundertwende hergestellt. Nicht zuletzt ergeben sich auffällig aktuelle Bezüge auf die anhaltenden Debatten um die Sozialisation von Kindern und Jugendlichen in Industrienationen.