Politische Teilhabe in der Einwanderungsgesellschaft von Pfeffer-Hoffmann,  Christian

Politische Teilhabe in der Einwanderungsgesellschaft

Die politische Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund ist ein wesentlicher Aspekt des Integrationsprozesses. Für das Zusammenleben in einer demokratischen Einwanderungsgesellschaft ist es essentiell, dass so weit wie möglich alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sich mit der ganzen Vielfalt ihrer Lebensgeschichten und politischen Meinungen in politische Entscheidungsprozesse einbringen.
Menschen mit familiärer Einwanderungsgeschichte machen einen erheblichen Teil der deutschen Gesellschaft aus. Im Jahr 2016 hatten rund 18,6 Mio. Menschen, also 22,5 % der Bevölkerung, einen Migrationshintergrund. Etwa die Hälfte von ihnen besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Jährlich kommen rund 100.000 Personen dazu, die sich einbürgern lassen. 2016 lebten in Deutschland bereits über 2 Mio. Eingebürgerte.
Über 6 Mio. deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund waren im Jahr 2016 älter als 18 Jahre und somit prinzipiell zur Teilnahme an den Bundestagswahlen berechtigt. Dies entspricht einem Anteil von 8,8 % aller volljährigen Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit.
Das aktive sowie das passive Wahlrecht bei der Bundestagswahl ist ein Privileg, das deutschen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern vorbehalten ist. Die Möglichkeit, sich an diesem Entscheidungsprozess auf Bundesebene beteiligen zu können, ist für viele Personen ein wichtiger Beweggrund, eine Einbürgerung anzustreben. Durch die Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit zeigen jährlich 100.000 Personen ihren Willen, sich am politischen System Deutschlands zu beteiligen.
Jedoch ist die politische Teilhabe bei Menschen mit Migrationshintergrund geringer als bei deutschen Staatsangehörigen ohne einen solchen. Dies zeigt sich u. a. darin, dass sie seltener an Wahlen teilnehmen. Analysen belegen, dass ihre Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2013 über 10 Prozentpunkte hinter der von Personen ohne Migrationshintergrund zurückblieb. Außerdem sind sie in den politischen Vertretungen unterrepräsentiert: So haben in dem 2017 neugewählten Bundestag nur 57 der 709 Abgeordneten (d. h. 8,0 %) einen Migrationshintergrund. Dieser Anteil liegt 3,6 Prozentpunkte unter dem Anteil von Deutschen mit Migrationshintergrund bzw. 14,5 Prozentpunkte unter dem Anteil von Personen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung.
Aus diesen Gründen rief die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Aydan Özoǧuz im Rahmen des Schwerpunktjahres 2016/2017 „Teil haben, Teil sein: Partizipation in der Einwanderungsgesellschaft“ im März 2017 das Modellprojekt Vote D – Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund an der Bundestagswahl 2017 ins Leben. Das Projekt war explorativ angelegt und erprobte Methoden zur Erhöhung der Wahlbeteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund an Bundestagswahlen. Tragendes Prinzip dabei war die Wahrung politischer Neutralität.
Vote D war als Instrument der politischen Bildung konzipiert. Der Fokus lag nicht auf der Lieferung von quantitativ messbaren Ergebnissen bzw. Wirkungsmessung, wohl aber auf qualitativer Auswertung und Dokumentation. In einer vorbereitenden Analyse wurden zudem die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Wahlverhalten von Menschen mit Migrationshintergrund zusammengetragen.
Die konkreten Aktivitäten, die im Rahmen des Projektes durchgeführt wurden, folgten in ihrer Grundausrichtung Ansätzen, die sich bisher bei Minor – Projektkontor für Bildung und Forschung in der gemeinsamen Projektarbeit mit Menschen mit Einwanderungsgeschichte als zielführend erwiesen. So wurde zum einen aufsuchende Informationsarbeit geleistet. Gemeint ist damit, dass Informationen bereitgestellt und dort verteilt werden, wo die anzusprechenden Personen sich ohnehin Informationen einholen bzw. aufhalten. Insbesondere bei Online-Angeboten bietet sich diese Herangehensweise an. Durch wenige Klicks lassen sich zuverlässige Informationen z. B. in einschlägigen sozialen Medien verbreiten, wodurch die Erzielung einer hohen Reichweite möglich wird. Dies wurde zum anderen durch lokale Arbeit ergänzt. Diese „Offline-Aktivitäten“ zeichneten sich durch eine starke Orientierung auf lokale Communities von Menschen mit Einwanderungsgeschichte aus. Wichtige Akteure in den fünf Modellkommunen wurden angesprochen und erhielten in der Projektarbeit zentrale Rollen für die Arbeit mit der Zielgruppe vor Ort.
Auch die kommunale politische Ebene wurde eingebunden. Die kommunalen Spitzen übernahmen jeweils die Schirmherrschaft für das Projekt: Der Regierende Bürgermeister Michael Müller für Berlin, Oberbürgermeister Thomas Kufen für Essen, Oberbürgermeister Burkhard Jung für Leipzig, Landrat Michael Lübbersmann für den Landkreis Osnabrück und Oberbürgermeister Boris Palmer für Tübingen.
Am 26. April 2017 lud Staatsministerin Aydan Özoǧuz die kommunalen Spitzen sowie die Integrationsbeauftragten der Modellkommunen und Vertreterinnen und Vertreter von Migrantenorganisationen zu einer Auftaktveranstaltung ins Bundeskanzleramt ein. Gemeinsam wurde über die Bedeutsamkeit und die Grundausrichtung des Projektes diskutiert. Die Vertreterinnen und Vertreter der Modellkommunen und der Migrantenorganisationen sowie einige ausgewiesene Expertinnen und Experten schlossen sich zu einem Beirat zusammen, der das Projekt im Zuge mehrerer Sitzungen begleitete und beriet.
Zeitgleich mit der Auftaktveranstaltung wurde eine Informationswebsite vote-d.de zu der Bundestagswahl online geschaltet. Diese blieb für den gesamten Zeitraum des Projektes online. Regelmäßig erschienen auf dem integrierten Blog informative Artikel und Testimonials.
Die meisten Aktivitäten im Rahmen des Projektes fanden in den Monaten August und September statt – also in der Zeit vor der Bundestagswahl am 24. September 2017. In deren Vorfeld wurden durch lokale Migrantenorganisationen und weitere Träger über 30 Maßnahmen zur Wahlaktivierung von Menschen mit Migrationshintergrund durchgeführt. Erprobt wurden dabei viele unterschiedliche Formate, von Diskussionsabenden mit Kandidatinnen und Kandidaten über einen Poetry-Slam-Workshop mit jungen Erwachsenen und eine Sonderausgabe einer lokalen Zeitschrift bis zu Online-Videokampagnen.
Im ersten Teil der Publikation gehen wir der Frage nach, wie es derzeit um die politische Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund bestellt ist. Den Fokus legen wir dabei auf die Untersuchung ihrer Beteiligung an den Bundestagswahlen. Angaben über das Ausmaß weiterer Formen der Partizipation, wie z. B. die Ausübung politischer Mandate, werden ebenfalls auszugsweise herangezogen. Die verschiedenen Dimensionen der Teilhabe werden auch im Hinblick auf Unterschiede zwischen Generationen und Herkunfts- bzw. Bezugsregionen sowie auf weitere soziodemografische Merkmale hin analysiert.
Im zweiten Teil beschreiben wir zunächst den Handlungsansatz des Projektes, von der Vernetzung mit den lokalen Communities über die Online-Kommunikationsarbeit bis hin zu der fachlichen Begleitung durch den Projektbeirat. Weiterhin stellen wir die Modellstandorte vor. Diese wurden auf Basis einer Recherche zu soziodemografischen Faktoren und zu der jeweiligen lokalen politischen Situation ausgewählt. Berücksichtigt wurden z. B. der Anteil und die Communities von deutschen Staatsangehörigen mit familiärer Einwanderungsgeschichte (an der Gesamtbevölkerung) und die gesamte Wahlbeteiligung bei der letzten Bundestagswahl.
Im dritten Teil dieser Publikation ziehen wir Schlüsse aus den durchgeführten Aktivitäten zur Wahlaktivierung von Menschen mit Migrationshintergrund. Welche Vorgehensweisen haben sich im Zuge des Projektes als erfolgsversprechend herauskristallisiert? Woran hakte es mitunter? Was sollte in Zukunft bei der Planung und Organisation von Maßnahmen der politischen Bildung mit Menschen mit Migrationshintergrund beachtet werden? Diese Frage versuchen wir in Bezug auf den Zugang zur Zielgruppe, deren Ansprache, geeignete Formate, Organisation von Aktivitäten sowie zu vermittelnden Inhalte und notwendige Expertise zu beantworten. Weiterhin werden Aspekte aufgeführt, die zu einer nachhaltigen Förderung der politischen Teilhabe von Menschen mit familiärer Einwanderungsgeschichte beitragen könnten.

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