POSEIDON_PAINTINGS
Das Meer der Anderen
Ulrich Puritz, Christine Schmerse
POSEIDON_PAINTING
le ciel est un vide coloré | la mer le | plus grand des félins | […] | la lune est toute prête
| à faire | chute libre | le soleil a le coeur d’enfer
(James Noël)
der Himmel ist gefärbte Leere | das Meer die größte aller Raubkatzen | […] | der
Mond ist drauf und dran | sich in die Tiefe | zu stürzen | die Sonne hat ein
Höllenherz
Unter anderem Zeilen wie diese aus einem Gedicht von James Noël gelangten
irgendwie von Haiti nach Deutschland – genauer: nach Berlin – und von hier via
Internet wieder zurück über den Atlantik. Und zwar dorthin, wo wir uns – eine
Inselhälfte weiter in der Dominikanischen Republik – für ein paar Monate eingerichtet
haben.
Texte und Gedichte aus der jeweils bereisten Region schieben das, was europäische
Augen zu sehen und zu verstehen glauben, auseinander und verschaffen
Durchsichten und Einblicke in ein unbekanntes Dahinter. Ob in Französich, Spanisch,
Englisch oder Kreol – Textquellen studieren wir, soweit uns möglich, im
Original. Wir möchten in fremde Sprechweisen und Klänge eintauchen und uns in
deren Aussprache üben. Wir möchten dem stummen Schwarz fremder Worte mit
unserem Atem und unserem Stimmen ‚Leben einhauchen’. Neben einem möglichen
Wortsinn gehen wir jenen Unterströmungen nach, die in Sprachmelodien
und Klangbildern fremder Kulturen zum Ausdruck kommen3.
Und während der Wind – seit Tagen schon – mit den Palmen fuchtelt, die Brandung
den Strand traktiert und der Blick über das Wellengetümmel die Dichterworte
zu bestätigen scheint, stellt sich uns – bei allen Bemühungen zu verstehen –
die Frage: Würden wir jemals sehen können, was Einheimische sehen, wenn sie
sehen, was wir sehen?
Und umgekehrt: Wie lässt sich verständlich machen, was uns unsere Kunst hat
verstehen lassen, nachdem wir sahen, was auch Einheimische sehen?
Poseidon Paintings – ein Versuch.