Raum um 1900
Raumwahrnehmung in Literatur und Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts mit besonderer Berücksichtigung Rainer Maria Rilkes
Steffen Arndal
Es ist eine bekannte Tatsache, dass das Sehen und damit die Raumwahrnehmung um 1900, sozusagen auf der Schwelle zur Moderne, in der deutschen und europäischen Kunst und Literatur eine wichtige Rolle spielt. Gleichzeitig erlebte die physiologische Einsicht in die Natur der Raumwahrnehmung entscheidende Fortschritte, die von der Kunst- und Literaturwissenschaft allerdings kaum zur Kenntnis genommen worden sind. In Bezug auf das Sehen ist die Forschung deshalb weitgehend von Einseitigkeiten, Vereinfachungen und Missverständnissen geprägt, die für ein adäquates Verständnis der mentalitätsgeschichtlichen Rolle des Sehens um 1900 hinderlich sind. Der Verfasser hat sich deshalb die Aufgabe gestellt, auf der Grundlage einer gründlichen, wissenschaftsgeschichtlich ausgerichteten Darstellung der Entwicklung der Augenheilkunde die Variationsmöglichkeiten des Sehens (darunter die Rolle der Perspektive) in Kunst und Literatur um 1900 darzustellen. Wichtig sind dabei vor allen Rilke und Cézanne. Andere profilierte Autoren der deutschen und europäischen Literatur wie Musil, Proust und Joyce werden ebenfalls einbezogen. Damit können bekannte Begriffe wie etwa „räumliche Inversion“, „moments priviligies“ und „Epiphany“ mutatis mutandis als optische Phänomene auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden.