RISS – Zeitschrift für Psychoanalyse von Allouch,  Jean, Coelen,  Marcus, Faccincani,  Cristina, Goetzmann,  Lutz, Heinrich,  Klaus, Kasper,  Judith, Kleinbeck,  Johannes, Lahl,  Aaron, Pazzini,  Karl-Josef, Wegener,  Mai, Zenoni,  Alfredo

RISS – Zeitschrift für Psychoanalyse

Nr. 89 - Übertragung

Diese Nummer begibt sich nun in dies »Innerste« der Psychoanalyse, und das zum Titel gewählte Zitat Freuds zeigt an, wie sehr es an die Infragestellung der Wissenschaftlichkeit überhaupt, nicht nur der Psychoanalyse, anknüpft, die uns im Heft zuvor beschäftigte. Freud hat die Korrektur durch die Übertragung als beschämend bezeichnet: In ihr legt sich etwas bloß, etwas von der Scham selbst sowie weiteren erogenen Zonen, etwas von den nur unterstellten Trägern und nicht greifbaren Objekten,an denen und mittels derer sich das Sprechen und Schweigen der Praxis sowie die Rede der Theorie entzünden, wiederholen und aufs Neue ereignen können. Übertragung ist somit auch das »Äußerste« der Psychoanalyse: Als solche allererst in der Analyse hervortretend auf einem »Weg […], für den das reale Leben kein Vorbild liefert«, wie Freud in den Bemerkungen über die Übertragungsliebe schreibt, trägt die Übertragung die Logik des Unbewussten aus der analytischen Kur auch wieder heraus. Wenn Freud im selben Text mahnt, dass man »kein Anrecht« habe, »der in der analytischen
Behandlung zutage tretenden Verliebtheit den Charakter einer ›echten‹ Liebe abzustreiten«, dann steht darin auch die »Echtheit« jeder Liebe, auch unsere Liebe zum »Echten« überhaupt auf dem Spiel. Übertragung gibt Liebe – aber sie gibt vor allem auch die Liebe zu denken. Dass Übertragung als »durch die analytische Situation erzwungen« an und zugleich als vorbildlose Echtheit hinzunehmen ist, setzt damit das Programmierte – Schicksal und Notwendigkeit – als Ereignis Spontaneität und Kontingenz – und gibt dem Denken eine aporetische Logik vor, die zu Bildungen (an) ihrer Unmöglichkeit
herausfordert. Spuren dieser eigentümlichen Übertragungslogik lassen sich weit gestreut in der Geschichte des Denkens – sowie Schreibens und Imaginierens – auffinden, und der Beitrag von Karl-Josef Pazzini geht einigen davon am Leib-Seele-
Topos bei Freud selbst und sodann bei Marx nach; Johannes Kleinbeck entfaltet ihn an der »Aporie der Liebe« von Platon bis Freud; Mai Wegener untersucht genauer, wie in psychoanalytischer Übertragung Liebe eine »völlig neue Wendung des immer schon Dagewesenen« vollzieht und jede Form von Wissenschaft wie Denken mit dieser Logik herausfordert. Übertragung verstärkt und zersprengt zugleich von innen heraus die bildgläubigen Ähnlichkeiten und Spiegelungen, macht im Feld des Visuellen überhaupt die fremdartige Dynamik der Projektion spürbar; sie konzentriert und deplatziert (manchmal
bis zum deplatzierten Witz, manchmal bis in ortlose Absurditäten) die sprachgebundenen Identifizierungen, zersetzt die Einheiten von Wort und 12 13 Sinn, öffnet das Sprechen auf Einverleibungen; sie verschärft den Zusammenprall mit der Abwesenheit in Hilflosigkeit und umrandet dies als Tod, Sexualität, Wahnsinn. Auch an sich selbst, am Konzept »Übertragung« erfährt sie, neben ihrer Eigenlogik, Mannigfaltigkeit. Cristina Faccincani zeigt in ihrem Beitrag diese Multidimensionalität in Theorie und klinischer Praxis auf. Dass sie dabei auch auf die »psychotischen Dimensionen in der Beziehung des analytischen Paars« zu sprechen kommt, markiert einen Zug der Übertragung, den unser Heft aufnimmt. Die Frage nach Übertragung (in) der Psychose ist eine alte und kontroverse, und zwei Beiträge beantworten sie hier betont affirmativ: Alfredo Zenoni, indem er die »strukturell andere Übertragung« in der Arbeit mit Psychose herausarbeitet und sie nicht als Wiederholung einer Liebe, sondern als »Antwort auf Liebe« denkt; Jean Allouch, indem er von Lacans Relation zu »Aimée« ausgehend (eine Benennung, die von Liebe zeugt) das Lacan’sche »Mathem der Übertragung« neu auslegt. Jenseits des Heftthemas befasst sich Lutz Goetzmann mit einem anderen schwer Formulierbaren: Ist ein Denken über das Jenseits, was hinter der Linie des zweiten Todes liegt, überhaupt möglich? – Volkmar Billig und Wolfram Ette sprechen mit dem Berliner Religionsphilosophen Klaus Heinrich darüber, was in unserer Wahrnehmung der Städte, in denen wir leben, oftmals übersehen und verdrängt wird und worin er ein utopisches Potenzial erkennt. – Zudem bildet Thomas Schestags Fortsetzung seines »–schneider–« eine weitere Naht zum Vorheft.

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