Schlachtvieh / Kalte Zeiten
Christian Geissler, Michael Töteberg
Reisende in einem Zug. Einige Abteile sind versperrt, die Fenster lassen sich nicht öffnen, dann ist die Fernsprechverbindung unterbrochen, und die Fahrgäste hören unheimliche Durchsagen. Einige fragen sich, was los ist, diskutieren und wollen der Sache auf den Grund gehen. Das Schreibabteilmädchen versucht sogar, die Notbremse zu ziehen und wird festgesetzt. Die Mehrheit aber will die Reise einfach fortsetzen, mit dem Segen eines Kirchenmannes – das ist das Drehbuch „Schlachtvieh“.
Freitag in Hamburg-Wilhelmsburg: Der junge Bauarbeiter Jan Ahlers bekommt seine Lohntüte, legt eine Sonderschicht ein und träumt von einem größeren Auto. Seine Frau Renate kümmert sich währenddessen um den Haushalt, später verliert sie sich beim Stadtbummel in den Kaufangeboten. Ein Kind wäre schön, aber das kostet. Beide sind gefangen in Konsumwünschen und verraten dabei ihre Liebe und sich selbst – das ist der Roman „Kalte Zeiten“.
Als der Brecht-Schüler Egon Monk 1960 Leiter der NDR-Fernsehspielabteilung wurde, begann er mit einer Umsetzung von Christian Geisslers erstem Roman „Anfrage“. Darauf folgten bis Mitte der 70er-Jahre weitere Fernseharbeiten Geisslers, die großen Einfluss auf seine spätere Prosa hatten. Unter dem Eindruck der Wiederbewaffnung Deutschlands schrieb Geissler 1963 das Drehbuch „Schlachtvieh“, ein Lehrstück. Warum wehrt sich kaum jemand, wenn die eigenen Interessen mit Füßen getreten werden? Auf der Suche nach einer Antwort entstand das Fernsehspiel „Wilhelmsburger Freitag“ (1964), die Vorlage für den Roman „Kalte Zeiten“.
Michael Töteberg beleuchtet in seinem Nachwort erstmals das Schaffen Christian Geisslers als Autor von Fernsehspielen und Dokumentarfilmen.