Stadtentwicklung und Migration im Südjemen
Mukalla und die hadhramitische Auslandsgemeinschaft
Thomas Pritzkat
In der Forschung zur islamisch-orientalischen Stadt wurden bislang die außerhalb des nationalen Territoriums liegenden Einflußfaktoren auf die Städte oft vernachlässigt, wie auch die Rolle der am Stadtentwicklungsprozeß beteiligten (individuellen) Akteure. In der vorliegenden Studie wird das Phänomen „Stadtentwicklung im arabischen Raum” untersucht anhand des historischen wie rezenten Stadtwachstums der südjemenitischen Küstenmetropole Mukalla, Hauptstadt der Provinz Hadhramaut, die in den Jahren nach der jemenitischen Vereinigung einen Bauboom verzeichnete, der zur Verdreifachung der überbauten Fläche der Siedlung führte. Dabei wird die These aufgestellt, daß die bauliche Entwicklung Mukallas vor allem die außerhalb des nationalen Territoriums liegenden Einflußfaktoren in starkem Maße reflektiert und die Auslandsanbindung der Bevölkerung nach Saudi Arabien, in die Golfstaaten, Ostafrika und Indonesien den bedeutendsten Entwicklungsfaktor für die Stadt darstellt. Die Studie bringt die Phänomene „Migration” und „Stadtentwicklung” damit in einen direkten Zusammenhang. Aufgezeigt wird, daß die – auch in historischer Hinsicht bedeutende – Auslandsanbindung auf transnationalen Familiennetzwerken fußt und die Stadtentwicklung Mukallas innerhalb eines regelrechten „Komplexes” intern-externer Wechselwirkungen angesiedelt ist, der in der wissenschaftlichen Literatur bislang kaum im Detail nachzuzeichnen und in seinen physisch faßbaren Effekten zu belegen versucht worden ist. Im weiteren analysiert die Arbeit die jüngsten politischen Entwicklungen im Südjemen nach der jemenitischen Vereinigung von 1990. Anhand von ausgewählten Biographien, der Untersuchung von Gesetzestexten aus vor- und nachsozialistischer Zeit und einer Vielzahl von Einzelinterviews beschreibt sie anschaulich die Folgen des Übergangs von zentralistischer Planwirtschaft in eine (jemenitische) Form der Marktwirtschaft. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei den Mechanismen der Rückübertragung ehemals verstaatlichten Eigentums, Boden- und Stammesrechten sowie den neu entstandenen Immobilienmärkten gewidmet. Der Band enthält 31 Karten und 30 Tabellen und ist reich bebildert.