Suspendierung und Verdachtsabberufung als Instrumente prospektiver Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats der AG
unter einschließender Betrachtung der Rechtslage in der GmbH
Marcus Becker
Am 19. Juli 2018 meldete die VW AG, dass Rupert Stadler infolge des Antritts der Untersuchungshaft auf eigenen Wunsch von seinen Aufgaben im Vorstand der AUDI AG sowie der VW AG „vorübergehend entbunden“ werde. Am 18. Juni 2020
gab die Wirecard AG bekannt, dass ihr Vorstandsmitglied Jan Marsalek „widerruflich […] von seiner Tätigkeit als Vorstand
der Wirecard AG freigestellt“ sei.
Doch was bedeutet „vorübergehende Entbindung“ oder „widerrufliche Freistellung“ von den Vorstandsaufgaben?
Das Aktiengesetz schweigt sich hierzu aus. Unklar ist daher auch, ob eine solche Gestaltung überhaupt rechtlich zulässig ist. Die aktienrechtliche Kommentar- und Handbuchliteratur akzeptiert eine „Suspendierung von Vorstandsmitgliedern“ mehrheitlich. Gleichwohl fallen die Begründungen hierzu eher knapp aus. Eine umfassende, monografische Aufarbeitung
der Thematik fehlte bis dato. Auch eine eingehende Untersuchung der „Suspendierung von Geschäftsführern“ im Anwendungsbereich des GmbH-Rechts stand bislang aus.
Dem Themenkomplex der Suspendierung nimmt sich vorliegende Untersuchung nunmehr umfassend an. Dabei wird zunächst die Vorfrage der Zulässigkeit einer Verdachtsabberufung bei Verdacht eines pflichtwidrigen Handelns zu Lasten
der Gesellschaft beleuchtet.
Anschließend wird im Wege der Auslegung und der gesetzesimmanenten sowie der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung die Zulässigkeit der Suspendierung von Vorstandsmitgliedern der AG ergründet. Hierzu werden neben rechtsdogmatischen, auch rechtshistorische, rechtstatsächliche und (binnen-)rechtsvergleichende Überlegungen angestellt. Im Zuge des Binnenrechtsvergleichs wird zudem der Existenz eines Instituts der Suspendierung von GmbH-Geschäftsführern als Rechtsfigur sui generis nachgespürt.
Dabei offenbart sich, dass ein solches eigenständiges Institut der Suspendierung von Geschäftsleitern weder mit
dem GmbH- noch dem Aktienrecht de lege lata vereinbar ist.
Abschließend werden die daraus resultierenden Rechtsfolgen erläutert, wobei der Rechtspraxis zugleich aufgezeigt wird,
mit welchen Instrumentarien gesetzeskonform auf das Phänomen des verdächtigen Geschäftsleiters im Aktien- ebenso
wie im GmbH-Recht reagiert werden kann.