Verjagt, verweht, vergessen.

Begleitwort des Herausgebers:

Es scheint eine Eigenschaft der menschlichen Spezies zu sein, zu zerstören, nur um dem Zerstörten hinterher Denkmäler zu setzen. Durch die Zeitläufte menschlichen Handelns zieht sich ein roter Faden von gefühlloser Vernichtung und herzloser Nichtachtung, von Gier und Gedankenlosigkeit.

In einem zu späten Bedauern trauern wir dann dem Verlorenen nach und stehen beschämt vor den Folgen unseres Handelns, errichten dem Unumkehrbaren Denkmäler und Mahnmale.

Solch ein Denkmal soll dieses Buch sein, ein weiterer Eintrag in dem stets wachsenden Schuldkonto des Menschen, ein Denkmal für ein Jäger- und Sammlervolk und seine Heimat, sein natürliches Umfeld. Es ist nicht die Absicht des Autors, anzuklagen, zu rechten oder zu kritisieren.

Nur aufzeichnen möchte er, was einst war, doch mangels schriftlicher oder materieller Überlieferungen und angesichts einer stummen Natur unwiederbringlich verloren geht. Durch seinen jahrzehntelangen, intensiven Umgang mit den Menschen des Hai om-Volkes und ihres natürlichen, angestammten Umfelds ist er wie kein anderer in der Lage, dies in Worten und Bildern zu dokumentieren, auf dass wir uns erinnern mögen und das uralte Wissen nicht gänzlich in Vergessenheit gerate.

Wo einst Menschen in Harmonie mit der Natur lebten, wo sich diese im Laufe von Jahrtausenden dem Ablauf der Jahreszeiten, den Zyklen von Dürren und Niederschlägen anpassten, tummeln sich heute Touristen auf vegetationsarmen Flächen. Wo einst eine ganz andere, natürliche Vegetation existierte, sitzen sie in blechernen Käfigen an künstlichen Wasserstellen und bestaunen Tiere, die vor unserer Zeit dort nicht heimisch waren.

Verschwunden sind die kleinen, braunen Menschen, die seit Jahrtausenden hier ihre Schweifgebiete hatten, verjagt und vergessen. Ihre Spuren sind verweht in der unendlichen Weite der Zeit und der Landschaft und mit ihnen ein Wissen, ein tiefes Verständnis der naturbedingten Abläufe ihres Umfelds. „Sie haben uns alles genommen“, sagt der alte Katiesun Khumub, „es war unsere Heimat, die Grundlage unseres Lebens, das wir dort über Jahrtausende führten.“

Ohne einen moralisierenden Anspruch erheben zu wollen, soll dieses Buch beitragen zu einem realistischeren Bild dieses wunderschönen Landstriches und seiner Geschichte im Norden Namibias. Vielleicht auch führt es bei dem einen oder anderen Leser zu einem tieferen Nachdenken über die Folgen und Auswirkungen unseres Handelns, über die Werte, die wir im Namen unserer Kultur und Zivilisation weltweit vermitteln und verbreiten.

Horst Lempp