Verortetes Gedächtnis

Der politisch wie ökonomisch unkoordinierte Umbauprozess der ehemaligen DDR in den 1990er Jahren mit der ihm dramatisch folgenden „Deindustrialisierung“ hat nicht zu übersehende Zeichen des Verfalls in die ostdeutsche Landschaft gesetzt: Industriebrachen, verlassene, ehedem ideologisch besetzte Gesellschaftsräume, menschenleere Werkkolonien.
Angezogen von der Aura dieser sichtbar von der Gesellschaft aufgegebenen Räume, hat sich ihnen der Fotograf Yakup Zeyrek in den Jahren 2014 – 2017 in erster Linie als Künstler und in zweiter als ein „Dokumentarist des Ausgestorbenen“ genährt. Offenbarten sich ihm die leerstehenden, vom Vandalismus gekennzeichneten Hallen vordergründig als Orte poetischer Zeichensetzung des Hinwegfallenden, so waren sie ihm aus einem zweiten Grund noch viel wichtiger: Im Wissen um die emotionale Kraft der dem Verfall preisgegebenen Räumlichkeiten und jene der Fotografie als erzählerische Raumintervention suchte und fand er exemplarische Vertreter einer Erlebnisgeneration, die ihm zusätzlich zur bildimmanenten Narration „die erlebte Wahrheit von früher“ über diese Stätten aus eigenem Erleben erzählen konnten. Die in Thüringen und Sachsen-Anhalt beheimateten Menschen hatten vor der Wende ihre Lebens- und Arbeitskraft an den fotografierten, von Yakup Zeyrek ausgewählten Stätten sinnstiftend eingebracht und deren Niedergang aus nächster Nähe verfolgen können. Seine Protagonisten gehören somit zu einer Erlebnisgeneration, die die Historie der Orte im Gedächtnis tragen. Zeyrek porträtierte die Menschen nun inmitten des längst Aufgegebenen.