Werte und Wertewandel
Zur Identität einer geteilten und wieder vereinten Nation
Heiner Meulemann
In der alten Bundesrepublik wurde gegen Ende der sechziger Jahre die Werthaltung einer selbstverständlichen Hinnahme von Institutionen und Traditionen durch den neuen Wert der Mit- und Selbstbestimmung abgelöst. Religion und Kirche verloren an Gewicht und die traditionelle Leistungsideologie schwand. Diesen Wertewandel in der Bundesrepublik kann man als freiwillige Säkularisierung verstehen. Die DDR hatte sich mit einer erzwungenen Säkularisierung etabliert und blieb auf die traditionelle, marxistisch überhöhte Arbeits- und Leistungsideologie fixiert. Einen Wertewandel hat es dort nicht gegeben. Nach der unterschiedlichen Geschichte der beiden Vorgängerstaaten bestehen in der neuen Bundesrepublik gravierende Unterschiede zwischen den beiden Landesteilen fort, in den ersten Jahren nach der Vereinigung nähern sie sich nicht einmal an, sondern entfernen sich voneinander. Das soziale und politische Zusammenwachsen der beiden Landesteile und der Umbau der Wirtschaft in Ostdeutschland hängen aber auch von den Werten der Menschen beiderseits ab. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Werte in den alten und neuen Bundesländern lassen sich nur verstehen, wenn man die Geschichte der Werte in beiden Staaten kennt. Dieser Band stellt die Geschichte der Werte und des Wertewandels in der alten Bundesrepublik und der DDR erstmals im Zusammenhang dar und überprüft im Einzelnen, in welchen Werten die west- und ostdeutsche Bevölkerung heute übereinstimmen und in welchen sie dies nicht tun.