Zur Dame Gott
Franz Josef Czernin, Paul Wühr
Paul Wührs Dame Gott ist ein außergewöhnlicher Essay zu den heute nicht mehr allzu oft gemeinsam gedachten Feldern Theologie und Poetik.
Mit spielerischem und frechem Schwung fegt der – nur 200 km vom Vatikan entfernt lebende! – bayrische Dichter die ‚Schreckensherrschaft‘ des Herrn, des Dogmas, der Wahrheit und der Richtigkeit hinweg und installiert stattdessen die erotische und nackte Instanz der Dame Gott: ‚Mit diesem Vater im Himmel, mit diesem Despoten kann unsereiner nicht leben. Ohne ihn aber auch nicht. Deshalb die Geschlechtsumwandlung: Wir wollen schließlich die Wirklichkeit dieser Welt.‘ Das hat nur am Rand mit feministischer Theologie zu tun, sehr viel aber mit Poesie: ‚Ich sollte bei dem Glauben an die Dame Gott von einer schrägen Religiosität sprechen. Es gibt bei mir eine leichtfertige Theologie, die sowohl karnevalesk ist als auch beinahe wieder ernst.‘
Die große monotheistische Erzählung mit ihren Zwängen und Vorschriften wird ersetzt durch ‚das Falsche, mit der Poesie nahezu deckungsgleich‘; denn im Denken der Dame Gott gibt es keine Hierarchien, kein einziges Element steht auch nur eine Stufe über den anderen (‚vorausgesetzt, wir sehen alle im Vergnügen kein Mehr oder Weniger, sondern immer alles mit immer demselben Wunsch nach Mehr‘).
Wühr schließt sich an die deutschen Philosophen der Romantik an, vor allem an Schelling, und bekennt sich zu A.N.Whiteheads pragmatischer Metaphysik; als Dichter aber und vehementer Vertreter einer enthierarchisierten Poesie unterstreicht er die Leitsätze der Dame Gott: ‚Nichts wird behauptet. Das Richtige schweigt. In seiner Nähe meint das Falsche nur so.‘