Die Macht der Perzeptionen und Perzeptionen von Mächten.

Die Macht der Perzeptionen und Perzeptionen von Mächten. von Lindemann,  Thomas
Trotz zahlreicher Studien zur wilhelminischen Außenpolitik und zur Julikrise 1914 bleibt die Frage, welchen konkreten Einfluß »kriegerische« Mentalitäten und nationalistische Wertevorstellungen auf den Weltkriegsausbruch hatten. Die Ausblendung oder Ignorierung dieses »kulturellen« Aspektes unter dem Schlagwort »Manipulationsideologie« führt dazu, den deutschen Anteil am Weltkriegsausbruch lediglich mit »Strukturmerkmalen« zu erklären. Machten aber »Mittellage«, zunehmende machtpolitische Schwächung des Dreibundes oder der »Widerspruch« einer industriellen Gesellschaft mit der politischen Dominanz von traditionellen Eliten (Junkern) den Krieg wirklich notwendig? Diese Studie wendet sich gegen einen solchen »Struktur-Determinismus« und hebt stärker hervor, wie die Realität von den außenpolitischen Akteuren perzipiert wurde, ein Ansatz, der in der Disziplin der Internationalen Beziehungen schon länger verfochten wird und durch diese Fallstudie empirische Bestätigung findet. Nicht allein »objektive Zwänge« verleiteten in dieser Perspektive die deutschen Verantwortlichen zu einem riskanten und fast schon verzweifelten Pokerspiel in der Julikrise, sondern vor allem ihre völkisch-darwinistische Fehlinterpretation der »objektiven Strukturen«. Diese »Weltanschauung« verstellte ihnen einen angemesseneren Blick auf die innen- und außenpolitische Realität und nährte vor allem subjektive Bedrohungskomplexe, die ihrerseits zu einem objektiven Faktor der deutschen Kriegsbereitschaft wurden. Rußland wurde so als unversöhnlich feindliche Macht angesehen und diese Feindschaft wurde hauptsächlich auf den »elementaren« und »rassischen« Gegensatz von Slawen und Germanen zurückgeführt. Auch andere völkische Axiome wie der Glaubenssatz von der unbedingten »germanischen« Solidarität zur Donaumonarchie oder die Befürchtung eines »eisernen Slawenring« verstärkten das perzeptuelle Sicherheitsdilemma. Schlimmer noch: Rußland wurde nicht nur als unerbittlich feindliche, sondern auch als extrem dynamische Macht angesehen. Dieses Urteil über Rußlands unaufhaltsamen Machtanstieg speiste sich aus der Überschätzung »quantitativer« Faktoren. Der Kanzler, ein Bewunderer Darwins, machte aus dem demographischen Wachstum ein entscheidendes Kriterium für die Vitalität einer Nation getreu dem Motto: »Die Fähigen vermehren sich am meisten«. Die deutschen Verantwortlichen nahmen die internationale Politik - wie ein großer Teil der deutschen gar der europäischen Bevölkerung auch - durch die verzerrende Linse eines »rassisch« gefärbten Darwinismus wahr, und es waren in letzter Instanz diese Perzeptionen und nicht irgendwelche anonymen Strukturen, die den Weltkriegsausbruch ermöglichten.
Aktualisiert: 2023-06-15
> findR *

Die Macht der Perzeptionen und Perzeptionen von Mächten.

Die Macht der Perzeptionen und Perzeptionen von Mächten. von Lindemann,  Thomas
Trotz zahlreicher Studien zur wilhelminischen Außenpolitik und zur Julikrise 1914 bleibt die Frage, welchen konkreten Einfluß »kriegerische« Mentalitäten und nationalistische Wertevorstellungen auf den Weltkriegsausbruch hatten. Die Ausblendung oder Ignorierung dieses »kulturellen« Aspektes unter dem Schlagwort »Manipulationsideologie« führt dazu, den deutschen Anteil am Weltkriegsausbruch lediglich mit »Strukturmerkmalen« zu erklären. Machten aber »Mittellage«, zunehmende machtpolitische Schwächung des Dreibundes oder der »Widerspruch« einer industriellen Gesellschaft mit der politischen Dominanz von traditionellen Eliten (Junkern) den Krieg wirklich notwendig? Diese Studie wendet sich gegen einen solchen »Struktur-Determinismus« und hebt stärker hervor, wie die Realität von den außenpolitischen Akteuren perzipiert wurde, ein Ansatz, der in der Disziplin der Internationalen Beziehungen schon länger verfochten wird und durch diese Fallstudie empirische Bestätigung findet. Nicht allein »objektive Zwänge« verleiteten in dieser Perspektive die deutschen Verantwortlichen zu einem riskanten und fast schon verzweifelten Pokerspiel in der Julikrise, sondern vor allem ihre völkisch-darwinistische Fehlinterpretation der »objektiven Strukturen«. Diese »Weltanschauung« verstellte ihnen einen angemesseneren Blick auf die innen- und außenpolitische Realität und nährte vor allem subjektive Bedrohungskomplexe, die ihrerseits zu einem objektiven Faktor der deutschen Kriegsbereitschaft wurden. Rußland wurde so als unversöhnlich feindliche Macht angesehen und diese Feindschaft wurde hauptsächlich auf den »elementaren« und »rassischen« Gegensatz von Slawen und Germanen zurückgeführt. Auch andere völkische Axiome wie der Glaubenssatz von der unbedingten »germanischen« Solidarität zur Donaumonarchie oder die Befürchtung eines »eisernen Slawenring« verstärkten das perzeptuelle Sicherheitsdilemma. Schlimmer noch: Rußland wurde nicht nur als unerbittlich feindliche, sondern auch als extrem dynamische Macht angesehen. Dieses Urteil über Rußlands unaufhaltsamen Machtanstieg speiste sich aus der Überschätzung »quantitativer« Faktoren. Der Kanzler, ein Bewunderer Darwins, machte aus dem demographischen Wachstum ein entscheidendes Kriterium für die Vitalität einer Nation getreu dem Motto: »Die Fähigen vermehren sich am meisten«. Die deutschen Verantwortlichen nahmen die internationale Politik - wie ein großer Teil der deutschen gar der europäischen Bevölkerung auch - durch die verzerrende Linse eines »rassisch« gefärbten Darwinismus wahr, und es waren in letzter Instanz diese Perzeptionen und nicht irgendwelche anonymen Strukturen, die den Weltkriegsausbruch ermöglichten.
Aktualisiert: 2023-05-15
> findR *

Die Macht der Perzeptionen und Perzeptionen von Mächten.

Die Macht der Perzeptionen und Perzeptionen von Mächten. von Lindemann,  Thomas
Trotz zahlreicher Studien zur wilhelminischen Außenpolitik und zur Julikrise 1914 bleibt die Frage, welchen konkreten Einfluß »kriegerische« Mentalitäten und nationalistische Wertevorstellungen auf den Weltkriegsausbruch hatten. Die Ausblendung oder Ignorierung dieses »kulturellen« Aspektes unter dem Schlagwort »Manipulationsideologie« führt dazu, den deutschen Anteil am Weltkriegsausbruch lediglich mit »Strukturmerkmalen« zu erklären. Machten aber »Mittellage«, zunehmende machtpolitische Schwächung des Dreibundes oder der »Widerspruch« einer industriellen Gesellschaft mit der politischen Dominanz von traditionellen Eliten (Junkern) den Krieg wirklich notwendig? Diese Studie wendet sich gegen einen solchen »Struktur-Determinismus« und hebt stärker hervor, wie die Realität von den außenpolitischen Akteuren perzipiert wurde, ein Ansatz, der in der Disziplin der Internationalen Beziehungen schon länger verfochten wird und durch diese Fallstudie empirische Bestätigung findet. Nicht allein »objektive Zwänge« verleiteten in dieser Perspektive die deutschen Verantwortlichen zu einem riskanten und fast schon verzweifelten Pokerspiel in der Julikrise, sondern vor allem ihre völkisch-darwinistische Fehlinterpretation der »objektiven Strukturen«. Diese »Weltanschauung« verstellte ihnen einen angemesseneren Blick auf die innen- und außenpolitische Realität und nährte vor allem subjektive Bedrohungskomplexe, die ihrerseits zu einem objektiven Faktor der deutschen Kriegsbereitschaft wurden. Rußland wurde so als unversöhnlich feindliche Macht angesehen und diese Feindschaft wurde hauptsächlich auf den »elementaren« und »rassischen« Gegensatz von Slawen und Germanen zurückgeführt. Auch andere völkische Axiome wie der Glaubenssatz von der unbedingten »germanischen« Solidarität zur Donaumonarchie oder die Befürchtung eines »eisernen Slawenring« verstärkten das perzeptuelle Sicherheitsdilemma. Schlimmer noch: Rußland wurde nicht nur als unerbittlich feindliche, sondern auch als extrem dynamische Macht angesehen. Dieses Urteil über Rußlands unaufhaltsamen Machtanstieg speiste sich aus der Überschätzung »quantitativer« Faktoren. Der Kanzler, ein Bewunderer Darwins, machte aus dem demographischen Wachstum ein entscheidendes Kriterium für die Vitalität einer Nation getreu dem Motto: »Die Fähigen vermehren sich am meisten«. Die deutschen Verantwortlichen nahmen die internationale Politik - wie ein großer Teil der deutschen gar der europäischen Bevölkerung auch - durch die verzerrende Linse eines »rassisch« gefärbten Darwinismus wahr, und es waren in letzter Instanz diese Perzeptionen und nicht irgendwelche anonymen Strukturen, die den Weltkriegsausbruch ermöglichten.
Aktualisiert: 2023-04-15
> findR *
MEHR ANZEIGEN

Bücher zum Thema Kriegsschuldfrage (Weltkrieg I)

Sie suchen ein Buch über Kriegsschuldfrage (Weltkrieg I)? Bei Buch findr finden Sie eine große Auswahl Bücher zum Thema Kriegsschuldfrage (Weltkrieg I). Entdecken Sie neue Bücher oder Klassiker für Sie selbst oder zum Verschenken. Buch findr hat zahlreiche Bücher zum Thema Kriegsschuldfrage (Weltkrieg I) im Sortiment. Nehmen Sie sich Zeit zum Stöbern und finden Sie das passende Buch für Ihr Lesevergnügen. Stöbern Sie durch unser Angebot und finden Sie aus unserer großen Auswahl das Buch, das Ihnen zusagt. Bei Buch findr finden Sie Romane, Ratgeber, wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Bücher uvm. Bestellen Sie Ihr Buch zum Thema Kriegsschuldfrage (Weltkrieg I) einfach online und lassen Sie es sich bequem nach Hause schicken. Wir wünschen Ihnen schöne und entspannte Lesemomente mit Ihrem Buch.

Kriegsschuldfrage (Weltkrieg I) - Große Auswahl Bücher bei Buch findr

Bei uns finden Sie Bücher beliebter Autoren, Neuerscheinungen, Bestseller genauso wie alte Schätze. Bücher zum Thema Kriegsschuldfrage (Weltkrieg I), die Ihre Fantasie anregen und Bücher, die Sie weiterbilden und Ihnen wissenschaftliche Fakten vermitteln. Ganz nach Ihrem Geschmack ist das passende Buch für Sie dabei. Finden Sie eine große Auswahl Bücher verschiedenster Genres, Verlage, Autoren bei Buchfindr:

Sie haben viele Möglichkeiten bei Buch findr die passenden Bücher für Ihr Lesevergnügen zu entdecken. Nutzen Sie unsere Suchfunktionen, um zu stöbern und für Sie interessante Bücher in den unterschiedlichen Genres und Kategorien zu finden. Unter Kriegsschuldfrage (Weltkrieg I) und weitere Themen und Kategorien finden Sie schnell und einfach eine Auflistung thematisch passender Bücher. Probieren Sie es aus, legen Sie jetzt los! Ihrem Lesevergnügen steht nichts im Wege. Nutzen Sie die Vorteile Ihre Bücher online zu kaufen und bekommen Sie die bestellten Bücher schnell und bequem zugestellt. Nehmen Sie sich die Zeit, online die Bücher Ihrer Wahl anzulesen, Buchempfehlungen und Rezensionen zu studieren, Informationen zu Autoren zu lesen. Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen das Team von Buchfindr.