Vom Scheitern der Keimzelle der westlichen Gesellschaft erzählen die fünf Theaterstücke im neuesten Band der Reihe Scène. Zeugungsunfähigkeit, Alkoholismus, wirtschaftliche Probleme und die bange Frage nach der eigenen Identität prägen die Paarbeziehungen in den zeitgenössischen Theatertexten aus Frankreich
und dem französischsprachigen Kanada. Noch nicht einmal die rassistische Abgrenzung gegen den Fremden bietet den Protagonisten noch Sicherheit.
Trotz thematischer Gemeinsamkeiten haben die versammelten Autoren formal äußerst unterschiedliche Wege eingeschlagen: In Fabrice Melquiots tiefschwarzer Boulevardsatire „Youri“ wird ein ausländischer Jugendlicher zur Projektionsfläche der Wunschvorstellungen und Allmachtsfantasien eines kinderlosen Yuppie-
Ehepaars. Nicht weniger abgründig kommt Rémi De Vos' derbes Volkstheater-Duett „Occident“ daher, in dem die Auseinandersetzungen eines Kneipenheimkehrers mit seiner Frau immer stärker fremdenfeindliche Untertöne bekommen. Gérard Watkins schickt in seinem düsteren Kammerspiel „Identité“ ein junges mittelloses Ehepaar auf die Suche nach ihren Ursprüngen und lässt sie dabei selbst ein Überwachungssystem à la „1984“ errichten. Während Stéphanie Marchais in „Intégral dans ma peau“ in einer überbordenden
poetisch-sexualisierten Sprache die Liebesgeschichte zwischen einem Schulverweigerer und seiner Lehrerin andeutet, finden in Sarah Berthiaumes stark von Kino und Fernsehästhetik geprägten Selbstfindungstrip „Yukonstyle“ drei junge Menschen mit komplizierter Vergangenheit im rauen Nordwesten Kanadas
zu sich selbst und schließlich zueinander.
Aktualisiert: 2020-10-28
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Die 14. Ausgabe der Reihe Scène, die von nun an gemeinsam von der Regisseurin Leyla-Claire Rabih und dem Übersetzer Frank Weigand herausgegeben wird, versammelt fünf Theatertexte, die sich allesamt mit dem Wegbrechen vertrauter Strukturen auseinandersetzen. Formal geschieht dies auf sehr unterschiedliche Weise. Während in Nathalie Fillions Tragikomödie “A l'ouest” um eine Pariser Patchworkfamilie in der Wirtschaftskrise ein fernes Echo von Tschechows "Kirschgarten" nachhallt, präsentiert sich Samuel Gallets Bürgerkriegsvision “Communiqué N°1" eher in der Tradition von Kino und düsterem Comic-Strip. Mit einem kollektiven Amoklauf im Einkaufszentrum erweckt Eric Pessans “Tout doit disparaître” das Erbe des Dokumentartheaters zu neuem Leben. Voll von lakonischem Humor leuchtet William Pelliers minimalistische Textfläche “La vie de marchandise” das verkümmerte Innenleben eines Rentnerpaars aus. Ein psychologisches Familiendrama à la Strindberg oder O'Neill entfaltet der Franko-Kanadier Eric Noël mit “Faire des enfants”, in dem ein Elternpaar die tödliche Selbstzerstörung seines Sohnes zu verarbeiten versucht.Die Stücke:Nathalie Fillion: A l'ouestSamuel Gallet: Communiqué N°10”Eric Pessan: Tout doit disparaîtreWilliam Pellier: La vie de marchandiseEric Noël: Faire des enfants
Aktualisiert: 2020-10-28
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Exil ist die Kernthematik der Theaterstücke, die im neuesten Band der Reihe SCENE versammelt sind. Es handelt sich um Stücke, die zumeist „im Exil" entstanden sind und auch sprachlich dessen Spuren tragen: Neben auf französisch verfassten Texten ursprünglich nicht frankophoner Exilanten stehen Texte aus Frankreich und Québec, deren Französisch deutlich vom Einfluss anderer Kulturen geprägt ist. Der Schwerpunkt aller präsentierten
Stücke liegt auf dem Verhandeln dringlicher „Geschichten", die immer auch eine politische Dimension haben. Nasser Djemaï beschreibt in „Invisibles" das Schicksal der ersten Generation algerischer Gastarbeiter, die den Bezug zu ihrer Heimat verloren hat, ohne jedoch in ihrem Gastland wirklich angekommen zu sein. Während Sedef Ecers „À la Périphérie" die Sehnsucht junger Slumbewohner nach einem Leben im Europa in einen märchenhaften Bilderbogen à la Bollywood oder 1001 Nacht verpackt, umkreist Aiat Fayez in „Les Corps Étrangers" in vier bitter-schwarzhumorigen Theaterskizzen das Lebensgefühl von „Fremdheit" im weitesten Sinne. Vom materiellen, politischen und moralischen Verfall eines ehemals reichen Landes erzählt die in Montréal lebende Kongolesin Marie-Louise Mumbu in ihrem parabelhaften Monolog „La Fratrie Errante". Mit großer, fast kinematografischer Geste schafft Sonia Ristic eine Parallele zwischen dem libanesischen Bürgerkrieg des Jahres 1975 und der Belagerung von Sarajevo zwanzig Jahre später.
Aktualisiert: 2020-10-28
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