Kommt dem Dirigieren performative Qualität zu? Handelt es sich um einen theatralen Akt, einen ‹Tanz am Pult›, der selber ästhetischen Wert besitzt und sich nicht auf die Funktion bloßer Zeichengebung für das Orchester reduzieren lässt? Geht es (auch) darum, die unsichtbaren Töne und Tonfolgen durch Gesten sichtbar zu machen, ihnen buchstäblich einen Körper zu leihen? Und in welchem Verhältnis stehen die Gesten wiederum zu jener ‹Interpretation›, die ihnen als hörbares Resultat entspringt? – Diese und andere Fragen bilden den Fokus des vorliegenden Bandes, der sich dem Phänomen des Dirigierens sowie der Figur des Dirigenten und der Dirigentin vom Mittelalter bis zur heutigen Zeit widmet. Er versammelt historische, systematisch-empirische und kulturwissenschaftliche Beiträge an der Schnittstelle verschiedenster Disziplinen, gebündelt unter der Denkfigur, dass der stumme ‹Luftsortierer› nicht nur als ‹Regisseur› musikalischer Verläufe fungiert, sondern in gewisser Weise auch als ihr ‹Darsteller›.Die titelgebenden DirigentenBilder implizieren dabei eine doppelte Perspektive. Auf der einen Seite stehen die vom Dirigenten selbst hervorgerufenen Bilder: Welche kinetischen Visualisierungen von Musik sind mit deren gestischer Umsetzung beim Dirigieren verbunden, und wie gestaltet sich die Beziehung zwischen dem Körper des Dirigenten und dem ‹Klangkörper› des Orchesters? Auf der anderen Seite sind aber auch diejenigen Bilder – ‹Images› – relevant, die sich von der traditionsreichen Figur des Maestro im kulturellen Gedächtnis gespeichert haben: Welche Funktionen wurden dem Dirigenten zugesprochen, wie haben sich die Vorstellungen und Klischees über ihn im Laufe der Zeit verändert, und welchen Einfluss übten die sich wandelnden Formen der medialen Inszenierung aus, von der Karikatur bis zum Film?
InhaltsverzeichnisVorwortIntroduktionArne Stollberg: «Mimische Ausdruckshandlungen». Der Dirigentenkörper im anthropologischen Musikdiskurs des 19. und 20. JahrhundertsHistorischesStefan Morent: Körper, Geste, Gebärde in der Musik des MittelaltersJörg-Andreas Bötticher: Bloß des Takts wegen dastehen. Rhythmische Orientierung und Ausdruck in Dirigiergesten des 17. und 18. JahrhundertsChristoph Riedo: «La main doit […] representer aux yeux une image de la cadence que l’oreille doit entendre». Das Taktschlagen und seine klanglichen Auswirkungen auf die Aufführung in der BarockzeitNina Noeske: Steuermänner versus Ruderknechte. Franz Liszt als PultvirtuoseHans-Joachim Hinrichsen: «Dirigentenpantomimik». Hans von Bülow als erster Dirigent der Moderne?Lena-Lisa Wüstendörfer: Gelebte Klänge. Gesten im Spannungsfeld von Chor und OrchesterSystematischesNepomuk Riva: «Buhm, buhm, buhm! Nicht so leichtsinnig: bah, bih …». Lautmalereien und Gestik von DirigentInnen in OrchesterprobenClemens Wöllner: Innere Bilder. Handlungsrepräsentation und Wahrnehmungskompetenz in der OrchesterleitungHartmut Hein: «Jedes Notenzeichen ist das Bild eines Schlages». Zur Gestik der musikalischen Schrift in Adornos InterpretationstheorieNicola Gess: Zur Geste bei Mahler. Unterbrechungen mit BenjaminFlorian Henri Besthorn: visible music – Dirigent und Publikum als vermeintlich stumme ‹Klangspieler›Kulturwissenschaftliche PerspektivenCornelia Bartsch: «Pultvirtuose» und «Lady of the bâton». Vergeschlechtlichte Körperbilder des DirigierensArne Stollberg: Klang-Körper. Auf der Suche nach einer musikalischen PhysiognomikJana Weißenfeld: Von sichtbaren Schöpfungsakten und archivierten Gesten. Bewegte Dirigentenbilder im KonzertfilmPeter Moormann: Gustavo Dudamel – Maestro Estatico?Mariama Diagne: Klang-Körper dirigieren. Gesten der Vermittlung im zeitgenössischen Tanz bei Xavier Le Roy und Jonathan Burrows & Matteo FargionCodaPeter Gülke / Ulrich Mosch: «Die Musik ist aus, eure Pfoten haben gefälligst unten zu sein!». Ein Gespräch zwischen Peter Gülke und Ulrich MoschAutorinnen und AutorenDVD-BeilageSiglenPersonen- und Werkregister
Aktualisiert: 2021-10-20
Autor:
Cornelia Bartsch,
Florian Henri Besthorn,
Jörg-Andreas Bötticher,
Mariama Diagne,
Nicola Gess,
Peter Gülke,
Hartmut Hein,
Hans-Joachim Hinrichsen,
Peter Moormann,
Stefan Morent,
Ulrich Mosch,
Nina Noeske,
Christoph Riedo,
Nepomuk Riva,
Arne Stollberg,
Jana Weißenfeld,
Clemens Wöllner,
Lena-Lisa Wüstendörfer
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Bei transzendenten Erfahrungen treten Aspekte und Dimensionen der vertrauten Wirklichkeit hervor, die normalerweise verborgen sind. Gewohnte Deutungsmuster und Erklärungskategorien versagen. Kognitive Spannungen sind die Folge. Das Bedürfnis nach ihrer Lösung führt oft zu vorschnellen Interpretationen und Erklärungen oder gar zur apriorischen Abwertung und Ignorierung transzendenter Erfahrungen. Sorgfältige und umsichtige wissenschaftliche Studien sind daher immer noch ein Desiderat. Die Beiträge basieren auf einer Ringvorlesung an der Universität Basel. Sie thematisieren an einschlägigen Beispielen die Phänomenologie transzendenter Erfahrungen, ihre biographischen Wirkungen, ihr Zusammenspiel mit künstlerischem Schaffen und Erleben, die Schwierigkeit ihrer Deutung und Beurteilung und ihre Abwertung und Pathologisierung durch Aufklärung und Wissenschaft.
Inhalt:
Heiner Schwenke: Einleitung: Was sind und zu welchem Ende erforscht man transzendente Erfahrungen?
Heiner Schwenke: Begegnungen mit Personen aus anderen Welten
Jörg-Andreas Bötticher: Wo das Unsagbare hörbar wird – Musik und Transzendenz
David-Marc Hoffmann: Rudolf Steiner als Lehrer der Transzendenz
Heiner Schwenke: Swedenborg und Kant – Zur Schwierigkeit, transzendente Erfahrung zu verstehen
Saskia Wendel: Unterscheidung der Geister – Zur Kriteriologie religiöser Erfahrung
Andreas Sommer: Geisterglaube, Aufklärung und Wissenschaft – Historiographische Skizzen zu einem westlichen Fundamentaltabu
Aktualisiert: 2023-04-04
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