Die vorliegende Monographie versteht sich nicht ausschließlich als Teil der Märchen- und Sagenforschung, sondern als Beitrag zur schlesischen Kulturgeschichte, indem sie ausgewählte Aspekte der regionalen Identität anhand der schlesischen Sagen von Richard Kühnau erforscht. Sein Werk wurde als »ein Ehrendenkmal für unsere schlesische Heimat und zugleich ein Werk von höchster Bedeutung für die wissenschaftliche Forschung überhaupt« bezeichnet. Des Weiteren wurde Kühnau in dem Nachruf auf seine Person als »Meister schlesischer Sagenforschung« bezeichnet, umso mehr ist es erforderlich, seine Biographie aufgrund der bis dato unbearbeiteten Quellen wiederherzustellen.
Einerseits setzt sich die Arbeit aus einem, einzelne Lebensabschnitte und die wissenschaftlichen Wirkungsweisen des in Branitz bei Cottbus geborenen Sagenforschers erörternden, biographischen Abriss zusammen. Gestützt wird sich dabei auf bis dato unveröffentlichte Quellen, die – beachtet man den gegenwärtigen Forschungsstand – die einzige Spur zur Wiederherstellung der Vita des Sagensammlers darstellen. Andererseits werden im Zentrum der vorliegenden Studie zwei – dem Anschein nach – gegensätzliche, jedoch sich verflechtende, ergänzende und einander überlappende Bereiche platziert, nämlich: Religion und Aberglaube. Die von Richard Kühnau im Zeitraum zwischen 1910 und 1929 herausgegebenen Sagensammlungen stellen ein einmaliges und eigentümliches Kulturerbe Schlesiens dar. Es sind Quellen regionalen Wissens, Überlieferungen und Traditionen, die einen Einblick in das (größtenteils bereits vergangene) Alltagsleben und Bewusstsein der Schlesier ermöglichen. Obwohl Sagen nicht als historische Quellen angesehen werden können, weisen sie auf markante Merkmale einer bestimmten Region oder einer ethnischen Gruppe hin. Somit werden sie zur reichhaltigen Wissensquelle eines (in diesem Fall: schlesischen) Volkes. Da Sagen ursprünglich mündlich überliefert wurden, unterlagen sie zahlreichen Modifikationen. Sie verbinden in sich lokale Elemente mit universellen (mythischen) Motiven. Sie bereichern das kulturgeschichtliche Wissen und tragen zur Widerspiegelung der Bildung und Entwicklung regionaler Identität in Schlesien bei. Der Entschluss, gerade die religiösen und abergläubischen Motive ins Zentrum der vorliegenden Untersuchung zu stellen, erfolgte nicht zufällig. Wie aus den Sagen hervorgeht, prägten diese beiden Sphären auf besondere Weise das Alltagsleben der Schlesier. Das Religiöse ist eines der wesentlichsten Elemente bei der Darstellung einer (regionalen bzw. ethnischen) Gesamtgruppe. Der in der Forschung funktionierende Begriff der religiösen Identität legitimiert und bestätigt diese Tendenz.
Aktualisiert: 2022-12-15
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Das vorliegende Sammelwerk geht auf eine Veranstaltung zurück, die als beispielhaft für die Zusammenarbeit der Universität Breslau mit österreichischen Behörden, Kultureinrichtungen und Hochschulen gelten kann. Die Alma Mater der Odermetropole wurde im Herbst 2016 zur vorletzten Station einer vom österreichischen Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, vom Österreichischen Kulturforum in Warschau, von den Universitäten Troppau und Oppeln sowie vom Institut für Germanistik der Universität Breslau veranstalteten und international besetzten Studienreise, an welcher Leiter und wissenschaftliche Betreuer der Österreich-Bibliotheken aus mehreren europäischen Ländern teilnahmen. Der Besuch in der ältesten schlesischen Universität stellte ein besonders wichtiges Element dieses groß angelegten Projekts dar, das den Titel „Schlesien – zwischen regionaler Identität und plurikultureller Berufung“ trug.
Am 1. Oktober 2016 fand in den prachtvollen barocken Räumlichkeiten der Universität Breslau, die ja bereits in der habsburgischen Zeit entstanden war und zuerst den Namen Leopoldina erhalten hatte, eine kulturwissenschaftliche Tagung statt, der zwei weitere Ereignisse folgten. Die im Rahmen der Studienreise vom Institut für Germanistik der Universität Breslau, der Österreich-Bibliothek in Breslau und vom Österreichischen Kulturforum in Warschau organisierte Tagung „Zwischen Breslau und Wien. Zu schlesisch-österreichischen Kulturbeziehungen in Geschichte und Gegenwart“ verstand sich als Anregung für die angereisten Kulturwissenschaftler und Literaturhistoriker zu weiteren Forschungen im Bereich der Kulturbeziehungen zwischen Österreich und seinen Kronländern.
Die in diesem Band versammelten Beiträge stellen eine Auslese aus den auf der Tagung gehaltenen Referaten dar. Die im ersten Teil des Sammelwerkes abgedruckten Aufsätze wollen Aufschluss geben über die facettenreichen kulturellen Beziehungen der Provinz Schlesien mit der Habsburgermonarchie, der Ersten wie auch der Zweiten Republik; der andere Teil dagegen bringt Studien, in denen diverse Aspekte schlesischer Kulturentwicklung behandelt werden.
Aktualisiert: 2022-07-11
Autor:
Joanna Malgorzata Banachowicz,
Artur Robert Bialachowski,
Edward Bialek,
Lukasz Bieniasz,
Agata Czarkowska,
Joanna Giel,
Edyta Gorzad-Biskup,
Anna Greda,
Krzysztof Huszcza,
Ewa Jarosz-Sienkiewicz,
Gabriela Jelitto-Piechulik,
Agnieszka Klimas,
Cezary Lipinski,
Jan Pacholski,
Anita Pintaric,
Lucjan Puchalski,
Andrea Rudolph,
Malgorzata Wyrzykowska,
Natalia Zarska
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