»Prohászka, Ottokár. Leading figure of conservative antisemitic ideology.« – Diesen Satz liest der Besucher in ungarischer und englischer Sprache unter einem Portrait des Bischofs Ottokár in der Dauerausstellung des im April 2004 neu eröffneten Holocaust-Museums in Budapest. Prohászka war von 1905 bis 1927 Bischof von Stuhlweißenburg (Székesfehérvár) und gilt als Initiator für die Formung des Katholizismus in Ungarn seit Mitte der 1890er Jahre. Die aktuelle Forschung sieht einen engen Zusammenhang zwischen dem politischen Katholizismus Ungarns und dem Antisemitismus der Zwischenkriegszeit. So lautet die Kernfrage des Buches: Welche Rolle spielte die »Erfahrung des Krieges« im Wandlungsprozess antisemitischer und nationalistischer Denkweise bei Prohászka? Welche Wirkung hatte der Krieg auf das Denken und Handeln katholischer Würdenträger in Ungarn? Besteht ein Zusammenhang zwischen Theologie, Nationalismus und Antisemitismus?
Aktualisiert: 2023-04-24
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Die frühen Jahre der Bundesrepublik Deutschland waren für die katholischen Bischöfe eine herausfordernde Zeit. Nach der Gründung des westdeutschen Teilstaats galt es, den Platz der Katholiken in der bundesdeutschen Gesellschaft zu behaupten, kulturelle Positionen zu verteidigen und neu zu erkämpfen. Innerhalb und außerhalb der Kirche vollzogen sich tiefgreifende Prozesse der Veränderung und Modernisierung. Die Lebenswelt der Katholiken war nicht mehr durch die Grenzen des katholischen Milieus bestimmt, katholische Positionen wurden nicht mehr selbstverständlich akzeptiert. Mit umso größerem Eifer bemühten sich die Bischöfe auf Länderebene weiter um den Erhalt des katholischen Schulwesens, rangen um den katholischen Einfluß in den Gewerkschaften und in der Militärseelsorge, in Rundfunk und Presse und in den Familienverbänden. Mit dem Katholischen Büro in Bonn unter der Leitung von Prälat Wilhelm Böhler schufen sie 1952 eine dauerhafte kirchliche Verbindungsstelle zum Staat. Auch die innerkirchlichen Strukturen mußten an die wachsenden Herausforderungen angepaßt werden: Mit der Einsetzung einer bischöflichen Sonderkommission begann 1950 ein Prozeß zur Neuorganisation der Fuldaer Bischofskonferenz unter ihrem Vorsitzenden Joseph Kardinal Frings. Das alte Referentensystem wurde durch ein neues System von Sachreferaten ersetzt. Ebenso bedurfte das katholische Vereins und Verbandswesen der Neustrukturierung. 1952 wurde das Zentralkomitee der deutschen Katholiken als Spitzenorganisation der Laien gegründet. Um die Formulierung des Statuts wurde hart gerungen; hier schlug sich die Sorge der Bischöfe nieder, die Arbeit der katholischen Laien könne sich allzu sehr verselbständigen und vom bischöflichen Lenkungsanspruch entfernen. Mehr als 250 sorgfältig ausgewählte Dokumente aus kirchlichen Aktenbeständen sind in diesem Band erstmals veröffentlicht und mit einer ausführlichen kritischen Kommentierung versehen. Sie gewähren dem Leser neue Einblicke in das bischöfliche Wirken der frühen 1950er Jahre und bilden für künftige Forschungsarbeiten eine bedeutsame Grundlage.
Aktualisiert: 2023-04-24
Autor:
Thomas Brechenmacher,
Wilhelm Damberg,
Klaus Gotto,
Ulrich von Hehl,
Hans Günter Hockerts,
Michael Kissener,
Frank Kleinehagenbrock,
Hans Langendörfer,
Annette Mertens,
Rudolf Morsey,
Mark Edward Ruff
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Bis heute zählt Ottokár Prohászka (1858– 1927) zu den prominentesten Persönlichkeiten des ungarischen Katholizismus. Als Bischof der Diözese Stuhlweißenburg (heute: Székesfehérvár) und Vertreter des politischen Katholizismus wirkte er führend an Gründung und Gestaltung einer christlichsozialen Bewegung in Ungarn mit. Dem rapiden Wandel der Gesellschaft und ihren Säkularisierungstendenzen stellte er ihre Erneuerung im Zeichen der »christlichen Kultur« entgegen. Allein im Christentum sah Prohászka das tragfähige Fundament der ungarischen Nation. Den Ausbruch des Ersten Weltkrieges verstand der Stuhlweißenburger Bischof als Kairos einer Abkehr Ungarns von Laizismus und vom Glaubensabfall, vom Liberalismus, Kapitalismus bzw. Sozialismus und einer Rückkehr zur Einheit von Glaube, Kultur und christlicher Staatsnation. Prohászkas Zivilisationskritik am wirtschaftlichen Liberalismus nahm starke antisemitische Züge an, als sich Ungarn gegen Ende des Krieges zu einem »ethnisch reinen« und konfessionell dominant katholischen Nationalstaat entwickelte. Im neuen christlich-nationalen Ungarn war für eine Religion »ohne ethisches Bewusstsein« und ihre jüdischen Angehörigen kein Platz. Die Studie zeichnet die Verschränkungen von theologischem Denken, nationalem Bewusstsein und politischem Handeln Ottokár Prohászkas nach. Indem sie aufzeigt, wie seine Erfahrung und Deutung des Ersten Weltkrieges christlichen Nationalismus, Konfessionalismus und Antisemitismus in neuer Weise verband, erhellt sie erstmals exemplarisch die im ungarischen Katholizismus anzutreffenden Übergänge zwischen traditionellen Antijudaismus der Kirche und rassischem Antisemitismus der »Moderne«.
Aktualisiert: 2023-04-24
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»Kinder, Küche, Kirche« gilt allgemein als Stereotyp »der Frau« in der Adenauer-Ära. Die katholische Kirche wird meist zu jenen gesellschaftlichen Kräften gezählt, die dieses Bild nachhaltig konservierten. Allerdings zeigt das Beispiel des Katholischen Deutschen Frauenbundes eine andere, weitaus dynamischere Wirklichkeit. Im Zentrum der Studie stehen Katholikinnen, die nach 1945 entschlossen ihre 1903 begonnene Arbeit als katholische Frauenbewegung fortsetzten und sich mit eigenständigen Positionen im gesellschaftlichen Leben und in ihrer Kirche profilierten: Bereits organisatorisch setzte sich die dezidiert weibliche Führungsspitze von jenen katholischen Frauenvereinen ab, die sich unter der Leitung von Klerikern eher karitativ oder spirituell engagierten. Erfolgreich stemmten sich Frauen wie Helene Weber, Gertrud Ehrle und Aenne Brauksiepe Versuchen der Bischöfe entgegen, auch ihren Verband enger an die Kirchenleitung zu binden. In seinen gesellschaftlichen Vorstellungen löste sich der Frauenbund von traditionellen Rollenbildern und vertrat in Anlehnung an die bürgerliche Frauenbewegung emanzipatorische Ansprüche. Aus der Würdigung der verschiedenen Familienstände als gleichrangig resultierte eine hohe Wertschätzung des Verbandes für ledige berufstätige Frauen. Ein partnerschaftliches Eheverständnis floss in den Wiederaufbau der katholischen Eheberatung ein, die Müttergenesungsarbeit sollte die Leistung der Mütter öffentlich bewusst machen. Entschieden förderte der Frauenbund die Berufsausbildung von Frauen und ermutigte sie zu politischer Mitarbeit. Über sein personelles Netzwerk brachte er die Überzeugungen seiner weiblichen Mitglieder nachdrücklicher als andere katholische Organisationen in den politischen und binnenkirchlichen Diskurs ein. Die engagierten Frauen eckten dabei nicht selten an. Ihre religiöse Verwurzelung und Spiritualität widersprachen diesem Verständnis nicht, sondern bildeten vielmehr seine Basis. Die überzeugende Studie gibt einen neuen Einblick in religiöses Selbstverständnis, katholische Netzwerke, gesellschaftspolitische Diskussionen und Gestaltungsräume der katholischen Frauenbewegung nach 1945.
Aktualisiert: 2023-04-24
Autor:
Claus Arnold,
Birgit Aschmann,
Thomas Brechenmacher,
Wilhelm Damberg,
Klaus Gotto,
Thomas Großbölting,
Hans Günter Hockerts,
Karl-Joseph Hummel,
Regina Illemann,
Michael Kissener,
Ferdinand Kramer,
Hans Langendörfer SJ,
Rudolf Morsey,
Josef Pilvousek,
Ulrich von Hehl,
Walter Ziegler
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