Der BGB-Gesetzgeber hat sich in den §§ 2049, 2312 auf ein rudimentäre und ergänzungsbedürftige Regelung des Landwirtschaftserbrechts beschränkt. Danach gelten für landwirtschaftliche Betriebe in der gesetzlichen Erbfolge grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften der §§ 1922 ff BGB. Lediglich dem vom Erblasser in einer letztwilligen Verfügung ausdrücklich oder konkludent geäußerten Willen, ein Landgut geschlossen in der Familie zu erhalten, trägt das BGB in § 2049 Abs. 1 durch eine Auslegungsregel Rechnung; danach darf der begünstigte Miterbe das Landgut in Zweifel zum Ertragswert übernehmen. Der Ertragswert des Landguts ist dann gem. § 2312 Abs. 1 BGB auch für die Berechnung von Pflichtteilsansprüchen maßgebend. Ferner kann der Erblasser nach § 2312 Abs. 2 BGB anordnen, dass auch ein von ihm eingesetzter Alleinerbe die Pflichtteilsberechtigten bei der Bemessung ihrer Pflichtteilsansprüche auf den Ertragswert des Landguts verweisen kann.
Die besondere Problematik dieser Vorschriften besteht darin, dass sich die Schere zwischen dem in §§ 2049, 2312 BGB für maßgeblich erklärten Ertragswert und dem im Pflichtteilsrecht nach § 2311 BGB ansonsten maßgeblichen Verkehrswert bei der Bewertung landwirtschaftlicher Betriebe seit dem Inkrafttreten des BGB immer weiter geöffnet hat. Während die Erträge insbesondere mittlerer und kleinerer Betriebe auf einem niedrigen Niveau stagnieren und häufig nicht einmal ausreichen, um den Lebensunterhalt der Landwirtschaftsfamilie zu sichern, sind die Verkehrswerte der landwirtschaftlichen Flächen, namentlich wenn sie in Großstadtnähe oder in landschaftlich reizvollen Regionen gelegen sind, vor allem in den letzen 30 Jahren stark gestiegen. Deshalb werden zunehmend verfassungsrechtliche Bedenken gegen die als zu weitreichend empfundene Begünstigung des Landguterben erhoben.
Vor diesem Hintergrund werden in der Arbeit zunächst die Grundlagen des geltenden Landguterbrechts im Überblick dargestellt. Dabei werden insbesondere die historischen Gründe für die lückenhafte gesetzliche Regelung des Landwirtschaftserbrechts im BGB aufgehellt. Ferner werden die für die Auslegung maßgeblichen Normzwecke der §§ 2049, 2312 BGB herausgearbeitet.
Mit der Begünstigung der Landwirtschaft gegenüber gewerblichen Unternehmen hat sich auch das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen sowohl zum Ehegüter- wie zum Erbrecht auseinandergesetzt. Die sich hieraus ergebenden verfassungsrechtlichen Leitlinien für die Interpretation der §§ 2049, 2312 BGB, aber auch des bewertungsrechtlichen Vorbehalts in Art. 137 EGBGB werden näher bestimmt. Ferner wird verdeutlicht, dass der vom BVerfG angelegte Kontrollmaßstab - namentlich im Rahmen der Prüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) - für die Fachgerichte nicht maßgeblich ist und diese mithin nicht hindert, insoweit eine strengere Kontrolle vorzunehmen.
Maßgebender Anknüpfungspunkt für den besonderen Schutz des Landguterben durch die Ertragswertprivilegierung in §§ 2049, 2312 BGB ist der Begriff des "Landguts". Da der Gesetzgeber bewusst auf eine Definition verzichtet hat, haben sich Rechtsprechung und Literatur um eine Konkreüsierung des maßgeblichen Landgutbegriffs bemüht. Diese Bemühungen werden nachgezeichnet und kritisch gewürdigt. Im Ergebnis wird der Kreis der schutzwürdigen Landgüter im Lichte der verfassungsrechtlichen Vorgaben weiter eingeschränkt.
Die Privilegierung des Landguterben ergibt sich vor allem daraus, dass er die weichenden Erben und Pflichtteilsberechtigten lediglich auf der Grundlage des Ertragswerts des Landguts abzufinden hat. Damit kommt der Bestimmung des maßgeblichen Ertragswerts für das Landguterbrecht entscheidende Bedeutung zu. In der Arbeit werden daher sowohl allgemeine Grundlagen der Bewertung im Zivilrecht angesprochen, als auch die Besonderheiten der Ermittlung des Ertragswerts von Landgütern unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben in § 2049 Abs. 2 BGB und Art. 137 EGBGB herausgearbeitet.
Der Hauptmangel des BGB-Landguterbrechts besteht darin, daß in den §§ 2049, 2312 BGB - anders als im Höfe- und Anerbenrecht - keine Regelung über Nachabfindungen der weichenden Erben bzw. Pflichtteilsberechtigten vorgesehen ist, wenn der Erbe das übernommene Landgut nicht fortführt, sondern bereits kurz nach dem Erbfall teilweise oder insgesamt veräußert und damit den weit über dem Ertragswert liegenden Verkehrswert realisiert. Daher wird auch der Frage nachgegangen, wie sich derartige Nachabfindungsansprüche im Anschluß an eine Erb-auseinandersetzung gemäß § 2049 BGB nach geltendem Recht begründen lassen. Zu diesem Zweck wird das gesamte Instrumentarium des geltenden Zivilrechts - von der stillschweigenden Bedingung über die ergänzende Vertragsauslegung, den Wegfall der Geschäftsgrundlage und das Bereicherungsrecht bis hin zur Anfechtung wegen Willensmängeln - bemüht.
Ergänzend werden noch einige Sonderprobleme behandelt, die sich vornehmlich im Rahmen der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen nach § 2312 BGB stellen. Dabei geht es etwa um die Frage, ob ein Übernahmerecht auch zugunsten mehrerer Miterben begründet werden kann, und unter welchen Voraussetzungen die Vererbung von Bruchteilen an einem Landgut nach § 2312 BGB privilegiert sein kann. Untersucht wird ferner, ob ein Erblasser auch die Übernahme mehrerer Landgüter zu Lasten der Pflichtteilsberechtigten zum Ertragswert anordnen kann und welchen Einfluß das ererbte oder eigene nicht-landwirtschaftliche Vermögen des Landguterben auf die Anwendung des Privilegs nach § 2312 BGB hat.
Beschlossen wird die Arbeit mit Gedanken zu einer Reform des geltenden Landguterbrechts im BGB. Zu diesem Zweck wird insbesondere das Problem des"ob" und "wie" einer gesetzlichen Regelung von Nachabfindungsansprüchen behandelt. Darüber hinaus wird diskutiert, inwieweit die seit Beginn der 90-Jahre eingetretenen erheblichen Strukturveränderungen der Landwirtschaft in Deutschland eine gesetzliche Neuregelung oder gar eine Abschaffung des Landguterbrechts in seiner derzeitigen Form nahelegen.
Aktualisiert: 2023-03-27
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