Aus dem Vorwort von Erhard Roy Wiehn:
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Antijüdische Strömungen gab es in Rumänien schon mindestens seit dem 19. Jahrhundert. Im Jahre 1930 lebten in Rumänien rund 722.000 Jüdinnen und Juden, d.h. 4% der Gesamtbevölkerung, wobei ihre tatsächliche Zahl etwas höher angenommen werden kann. Die rechtliche Gleichstellung der Juden 1919 bzw. 1923 verstärkte die antijüdische Bewegung im Land, die von Intellektuellen, etwa an der Universität von Iasi, vor allem aber von den "Legionären" der "Eisernen Garde" getragen wurde, "national-religiös" motiviert war und sich besonders gegen die Juden Bessarabiens und der Moldau richtete.
Nach dem Beschluss der rumänischen Regierung vom 9. Juli 1940 wurden Juden aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Ab 16. Oktober 1940 erschienen Gesetze zur Enteignung und "Rumänisierung", d.h. etwa das, was in Deutschland "Arisierung" hieß; es kam vermehrt zu Ausschreitungen und am 22. und 23. Januar 1941 zu einem blutigen Pogrom in Bukarest. Am 29. Juli 1941, noch bevor Rumänien in den Krieg eingetreten war, wurde der schwere Pogrom in Iasi inszeniert, bei dem Tausende von Menschen starben (Jacques Zwieback S. 155 ff.). Am 13. Oktober 1941 wurde die jüdische Bevölkerung der Südbukowina nach Transnistrien deportiert (hier S. 43 ff u. viele weitere Beiträge).
Nach der raschen Rückeroberung der seit 1940 sowjetisch besetzen Bukowina und Bessarabiens begann hier eine Judenverfolgung gewaltigen Ausmaßes, welche die obwaltenden antijüdischen Maßnahmen im rumänischen Kernland beinahe in den Schatten stellte. "Mit der stillschweigenden Zustimmung der Bukarester Regierung", so Andrei Corbea-Hoisie, "haben Einheiten der rumänischen Armee in Bessarabien und in der Nordbukowina kleinere und größere Pogrome organisiert, denen Tausende von Unschuldigen zum Opfer fielen." Die Absichten der Regierung Antonescu seien aber viel weiter gegangen:
"Als Strafe für die vermeintliche Kollaboration der Juden mit den Sowjets sollte die ganze jüdische Bevölkerung aus Bessarabien und der Bukowina in die ukrainischen Territorien jenseits des Bug deportiert werden, der Anfang einer beabsichtigten Säuberung Rumäniens von allen seinen Juden. Da die Deutschen es ablehnten, die deportierten Juden zu nahe an die Front umzusiedeln, entschied man sich in einer deutsch-rumänischen Konvention vom August 1941, dass die Konzentrationslager für die Juden aus Bessarabien und der Bukowina in der Region zwischen Dnjestr und Bug, also in dem von der rumänischen Armee verwalteten sogenannten "Transnistrien" lokalisiert wer-den sollten."1
Raul Hilberg bemerkt, dass die Rumänen in "Transnistrien", der be-setzten damaligen südwestlichen Sowjet-Ukraine, mit größter Härte gegen die Juden vorgegangen seien: "In diesem Gebiet, genauer ge-sagt im Raum Odessa und Golta töteten die Rumänen (…) etwa 15.000 einheimische Juden. Außer Deutschland war kein anderes Land in Judenmassaker solchen Ausmaßes verstrickt." Am 8. Juli 1941 hatte "Staatsführer" Antonescu in einer Sitzung des Ministerrates erklärt, "dass heute ein günstiger Augenblick in unserer Geschichte besteht, um die Juden aus Bessarabien und der Bukowina zwangsauszusiedeln." Am gleichen Tag habe der Befehlshaber der Gendarmerie in Bessarabien, Oberst Meculescu, die Festnahme aller Juden in den ländlichen Gebieten der Provinz angeordnet: "In der letzten Juliwoche (1941) begannen die Rumänen in lokaler Initiative, etwa 25.000-30.000 Juden aus dem nordbessarabischen Raum über den Dnjestr hinweg in ein Gebiet abzuschieben, das seinerzeit noch deutsches Militär- und 'Interessengebiet' war."2
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1 Andrei Corbea-Hoişie in: Mirjam Korber, Deportiert. Konstanz 1993, S. 23.
2 Raul Hilberg, Die Vernichtung der europäischen Juden. (1961) 3 Bände, Frankfurt/M. 1990, S. 812 u. 823.
Aktualisiert: 2022-01-27
Autor:
Margit Bartfeld-Feller,
Mirjam Bercovici,
Mirjam Bercovici-Korber,
Isiu Bessler,
Hedwig Brenner,
Mali Chaimowitsch-Hirsch,
Sassona Dachlika,
Iulia Deleanu,
Jewgenija Finkel,
Matei Gall,
Yosef Govrin,
Sidi Gross,
Beno Hoisie,
Sylvia Hoişie-Korber,
Bernhard Horowitz,
Laura Horowitz,
Lotti Kahana-Aufleger,
Sidi Kassner,
Herman Konradowitsch Abraham,
Mirjam Korber,
Geza Kornis,
Zvi Harry Likwornik,
Valeriu Marcu,
Jacob Melzer,
Andrei Oisteanu,
Sonja Palty,
Marcel Pauker,
Wolf Rosenstock,
Josef N Rudel,
Victor Rusu,
Klara Schächter,
Itzik Schwarz-Kara,
Andrei Voinea,
Emil Wenkert,
Erhard Roy Wiehn,
Markus Winkler,
Jacques Zwieback
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Obwohl die Schoáh in Rumänien trotz des obwaltenden aggressiven rumänischen Faschismus ohne die verbündeten Deutschen damals wohl anders verlaufen wäre, ist darüber in der deutschsprachigen Literatur noch immer nicht allzuviel bekannt.
Vor dem zweiten Weltkrieg lebte in Rumänien ein bedeutender Teil der Judenheit, nämlich ca. 800.000 Menschen (ca. 4 % der Gesamtbevölkerung), von denen während der Schoáh in kaum mehr als drei Jahren ca. 385.000 (ca. 48 % ) direkt oder indirekt getötet bzw. ermordet wurden. Besonders grausam verlief etwa der "Schwarze Sonntag" am 29. Juni 1941 in Iasi (gesprochen "Jasch", deutsch Jassy, Nordost-Rumänien), wo viele Juden von rumänischen Soldaten erschossen wurden, ca. 2.650 Menschen erstickten oder verdursteten in Güterwaggons, insgesamt wurden ca. 10.000 Menschen aus dieser Stadt ermordet. Grausam verliefen die Deportationen nach und in Transnistrien, einer Region zwischen Bug, Dnjestr und Schwarzem Meer, heute südwestliche Ukraine, wo insgesamt ca. 200.000 Menschen zu Tode kamen.
Das berüchtigte Lager Wapniarka wurde im Oktober 1941 am Rande der gleichnamigen heutigen ukrainischen Stadt Vapniarka im damals rumänischen Transnistrien errichtet, heute Kreis Vinnitsa (Winniza)/Ukraine. Die ersten 1000 internierten Juden kamen aus Odessa, darunter solche, die vorher aus Bessarabien geflohen waren. Am 16.September 1941 wurden "1.046 rumänische Juden ins Lager gebracht. Etwa die Hälfte war wegen des Verdachts, Kommunisten zu sein, aus der Heimat verbannt worden." Nun war nicht mehr die transnistrisch-rumänische Gendarmerie, sondern das Bukarester Innenministerium zuständig. Unter den zuletzt 1.179 Häftlingen waren ca. 200 Sozialdemokraten, 130 Kommunisten und 107 Frauen. Ein Lagerkomitee der Häftlinge sollte beim Überleben entscheidend helfen.
Dieses Konzentrationslager erlangte seine traurige Berühmtheit durch eine Erbsenart, die normalerweise als Pferdefutter dient (Latyrus sativus): "Innerhalb weniger Wochen tauchten die ersten Symptome der spastischen Paraparese auf, eine Krankheit, die das Knochenmark angreift, die Muskeln der unteren Gliedmaßen lähmt und schließlich die Funktion der Nieren beeinträchtigt. Im Januar 1943 litten Hunderte Gefangene in Wapniarka an dieser Krankheit. Die Häftlinge traten in den Hungerstreik und forderten medizinische Hilfe. Erst Ende Januar 1943 wurde die Ernährung mit dem die Krankheit verursachenden Tierfutter eingestellt. ", viele blieben lebenslang gelähmt.
Später stellte sich heraus, daß 427 Personen überhaupt ohne jeden Grund inhaftiert waren; das Lager wurde im Oktober 1943 aufgelöst, 54 Kommunisten alsdann in das Gefängnis von Rybnitza gebracht und dort fast alle ermordet. Darüber hat Matei Gall in unserer Edition Shoáh & Judaica bewegen de autobiographische Erinnerungen unter dem Titel 'Finsternis' veröffentlicht (Konstanz 1999).
Geza Kornis beschreibt im folgenden seinen Leidensweg von Verhaftung und Folter bis ins KZ Wapniarka, das Lagerleben, die Lähmungstragödie und den Hungerstreik, dann sein Leben im Ghetto Olgopol, musterhafte Menschen und seine Befreiung aus einem rumänischen Arbeitslager, womit er Matei Galls Darstellung und andere Zeugenberichte bestätigt und ergänzt. Es handelt sich hier um einen Auszug aus seinen umfangreicheren autobiographischen Aufzeichnungen, geschrieben in den Jahren 2002 bis 2003.
Aktualisiert: 2018-12-07
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