Als Gräfin Waldeck ihren Aufenthalt in Bukarest am 14. Juni 1940 antrat, dem Tag, an welchem die deutsche Armee in Paris einmarschierte, stand Rumänien am Beginn einer Periode, die zu den erniedrigendsten und unruhigsten acht Monaten in der turbulenten und häufig tragischen Geschichte dieses Landes zählt. Als Waldeck Ende Januar 1941 Rumänien verließ, hatte das Land die Provinzen Bessarabien, nördliche Bukowina und Herta an die Sowjetunion verloren, das nordwestliche Transsilvanien an Ungarn und die südliche Dobrudscha an Bulgarien. So war in weniger als einem Jahr Rumänien ein Drittel seiner Gesamtfläche, fast 100 000 km², aberkannt worden, dazu über sechs Millionen seiner Bevölkerung – alles verloren, ohne dass ein Schuss gefallen wäre. Daraufhin war Rumänien, infolge der sowjetischen Aggression, halb gefangen in der Gewalt einer deutschen Militärpräsenz und von dürftigen Restitutions-Versprechen halb verführt zu einer Allianz mit Deutschland, um sich gegen die größere Bedrohung von Osten zu verteidigen, trotz seiner historischen Verbindung zu den westlichen Alliierten. „Athénée Palace“ ist die bunte, oft stimmungsvolle, aber immer interessante und scharfsinnige Beschreibung dieser tragischen Übergangsperiode von einer intelligenten und hochgebildeten Beobachterin. Ihr Zimmer im ersten Stock des Athénée Palace war ein Platz in der ersten Reihe mit Blick auf eine kritische Zeit in der Geschichte Rumäniens, des Balkan und Europas.
Gräfin Waldeck wurde als Rosa Goldschmidt am 24. August 1898 als Tochter eines wohlhabenden deutsch-jüdischen Bankiers in Mannheim, Baden, Deutschland geboren. Sie hatte eine fünf Jahre jüngere Schwester, Ella. Sie erinnert sich an eine etwas konfuse Kindheit, in der sie die heimische Grundschule und das Humanistische Gymnasium besuchte. Museums- und Theaterbesuche spielten eine wichtige Rolle bei ihrer Erziehung, aber sie fühlte sich generell ausgeschlossen aus der selbstsicheren bürgerlichen Welt des deutschen Kaiserreichs der Vorkriegszeit. Auch stieg ihre Beliebtheit bei anderen nicht gerade, als sie im Alter von acht Jahren einem Klassenkameraden einen Brief und Zeichnungen mit Darstellungen sexuellen Inhalts zukommen ließ, und sie wurde beinahe von der Schule verwiesen, als es herauskam. So begann sie früh mit der Erotik, die sowohl im Schreiben, natürlich auch im Athénée Palace, wie auch im Leben sich nie weit unter der Oberfläche verbarg. Ein zweites Abenteuer drehte sich um Michael, einen Lehrer, mit dem sie eine heimliche, doch sieben Jahre währende Liebesaffäre hatte; sie erinnert sich daran als an die längste Liebe ihres Lebens und zugleich an die erste, die zum Muster wurde für Liebesbeziehungen mit älteren Männern.
Der Erste Weltkrieg brachte keine plötzlichen Veränderungen in ihr Leben, da sie durch den Reichtum und die Stellung ihrer Familie beschützt war. Schließlich wuchs aber ihre Abneigung gegen den Krieg, die Luftangriffe,
die ihre Mutter in Angst und Schrecken hielten, und die Entbehrungen, die ihre Familie zum illegalen Hamstern
zwang, was typisch für die meisten Deutschen in dieser Zeit war. Michael, ihr Liebhaber, wurde wegen Lungenproblemen vom Militärdienst befreit, doch mit achtzehn Jahren hatte sie mehr Freunde auf den Friedhöfen an der Somme und in den Vogesen als Lebende in der Schule. 1917 machte sie ihren Schulabschluss, nachdem sie schließlich auch in Mathematik bestand, worin sie immer Nachhilfe bekommen hatte; sie gewann jedoch einen Preis für einen Aufsatz über Schiller.
Im Herbst 1917 ging sie nach München, wo sie ein wenig Kunstgeschichte studierte und Vorlesungen bei Wölfflin und Fritz Strich über die deutsche Romantik besuchte. Ihre früheren Schwierigkeiten mit Mathematik kamen in Form von verschleppten Prüfungen wieder zutage; ihre Begeisterung für das Theater und für ältere Männer blieb aber unvermindert bestehen. Ihre neuen Interessen galten der Schwabinger Bohème und den intellektuellen Sozialisten und Revolutionären, die in den zu Ende gehenden Tagen des Kaisers in den Vordergrund rückten. Im Fasching und im Frühjahr 1919 hatte sich der Charme der Revolution und des Neuen Deutschland erschöpft, und sie verließ München mit einem unverdienten Ruf als „Barrikaden-Weib“, ein Ruf, der, wie ihr Vater meinte, seiner Bank nicht gut tat. Sie ging mit wenig Bedauern und ohne fortdauernde Freundschaften weg und kam später selten nach München zurück.
Mit einer beträchtlich anderen Haltung und zielgerichtetem Ehrgeiz ließ sich Goldschmidt nun in Heidelberg nieder und immatrikulierte sich in einen Promotionsstudiengang in Soziologie, wobei sie den Doktortitel am Ende des 6. Semesters, am 24. Juli 1920, erlangen wollte. Die Heidelberger Universität war in dieser Zeit auf der Höhe ihres Ruhms. Der Einfluss von Max Weber und seinem Bruder Alfred in Soziologie, Karl Jaspers in Philosophie, Friedrich Gundolf in Literatur war quer durch die Universität zu spüren, und Goldschmidt geriet in die Atmosphäre des Humanismus. Sie pausierte auf ihrem Weg zum Titel nur, um einen Aufsatz über Oswald Spenglers gerade erschienenes Buch „Der Untergang des Abendlandes“ zu präsentieren, einem der ersten Artikel über ein Buch, das im intellektuellen Leben der Zwischenkriegszeit zum Maßstab werden sollte. Im April 1920 legte sie Alfred Weber ihre Dissertation über die „Bedingungen für die Gründung eines Minoritäten Theaters“ vor, legte ihre mündliche Prüfung am 22. Juli ab und wurde mit ‚summa cum laude‘ promoviert, die einzige Auszeichnung, die in diesem Semester vergeben wurde, und eine seltene Ehre überhaupt in Heidelberg, insbesondere für eine Frau, die knapp zweiundzwanzig Jahre zählte.
Sie versuchte sich für einige Monate an einer akademischen Karriere unter Alfred Weber an der Universität, aber schon 1921 übernahm sie eine Ausbildungsstelle bei der Berliner Bank Carsch, Simion & Co. Berlin war in den Zwanziger Jahren nicht nur die Hauptstadt Deutschlands, sondern auch eine der intellektuellen Hauptstädte der Welt.
Goldschmidt warf sich begeistert in das gesellschaftliche Leben der Stadt und wurde beträchtlich zurückhaltender, was die Bankkarriere betraf, die ihr nicht mehr so interessant erschien. Sie war viel weniger interessant als Dr. Ernst Gräfenberg, ein bekannter Gynäkologe in Berlin, in den sie sich verliebte und den sie heiratete. Sie blieb bei ihrer Vorliebe für ältere Männer, denn er war 17 Jahre älter als sie. Er hatte eine Klinik mit Wohnung am Kurfürstendamm, wo sie einzog und beschloss, ihrer Ehe drei Jahre der Bewährung zu geben.
Wie sie die Geschichte wiedergibt, engagierte sich Dr. Gräfenberg zu sehr in seiner Praxis, als dass er ihrer Leidenschaft für das Gesellschaftsleben nachgeben konnte, auch fühlte sie sich eingeschränkt wegen der Nähe der Praxis zur Wohnung. Sie ging zurück zur Bank, um ihre Lehre zu beenden. Nach ihrem Abschluss wechselte sie in einen Industriebetrieb und begann prompt eine Affäre mit dem Chef der Gesellschaft. 1925 ließ sie sich scheiden.
Die folgenden vier Jahre verbrachte sie meist im Ausland, zu Beginn in Paris und auf Reisen. In den ersten Monaten in Paris genoss sie die Gesellschaft besonders derer, die im Exil lebten wie Kerensky, der Bainville‘s „Histoire de France“ las, und, wie es vorhersehbar war, begann sie eine Affäre, diesmal mit einem Franzosen. Sie arbeitete kurz für den Paris-Korrespondenten einer deutschen katholischen Gewerkschaftszeitung und begann so die Journalisten Karriere, die sie mit Unterbrechungen dreißig Jahre lang ausüben sollte. Bald darauf gründete sie mit einem Wiener Journalisten die ‚Pariser Presse Agentur‘. Im Frühjahr 1926 starb ihr geliebter Vater an einer verschleppten Krankheit. Nun musste sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben ernsthaft Gedanken um ihren Lebensunterhalt machen, da ihr Vater als Bankier sie bisher immer großzügig unterstützt hatte. Einige Wochen nach ihrer Rückkehr vom Begräbnis fuhr sie nach Französisch-Marokko, wo gerade der Krieg der Riff-Kabylen zu Ende ging, und ein alter Bekannter gerade zum Chef des Protektorats ernannt worden war. Nachdem sie Rabat, Marrakesch und Casablanca gesehen hatte, ging sie zurück nach Berlin und begann eine Affäre mit einem italienischen Adligen, wozu sie bemerkte, „Treue war damals für mich eine Sache der Geographie“, und ihr französischer Geliebter war sicher zurück in Paris. Sie scheint in dieser Zeit oft zwischen Berlin und Paris hin- und hergereist zu sein, besuchte häufig die Gesellschaft der Salons in beiden Städten und vermehrte ihre Kontakte zu den Reichen, Berühmten und Mächtigen.
Schon 1925 begegnete sie Dr. Franz Ullstein, dem dritten von fünf Brüdern, die das Ullstein Haus bildeten, ein großes Berliner Verlagskonsortium, das eine enorme Anzahl von Zeitungen, Illustrierten und Büchern herausgab. Franz Ullsteins Fähigkeiten hatten ihn zum Chef des Hauses gemacht. Fasziniert von Rosie Gräfenberg, stellte er sie 1927 an, um über die Konferenz des Völkerbundes in Genf zu berichten. Getreu ihrer Gewohnheit, begann sie prompt eine Affäre mit einem deutschen Diplomaten, der in ihrer Autobiographie nur unter dem Namen Kobra auftaucht.
Welche Herausforderung auch immer Kobra für ihre Energie bedeutete, ihre Arbeit für das Ullstein Haus wurde genügend gewürdigt, sodass sie 1928 aus der Perspektive einer Frau aus der Sowjetunion berichten sollte. Ihre viermonatige Reiseroute brachte sie nach Moskau, Leningrad, Nishni-Novgorod, Saratow, Tiflis, Baku, Armenien, Kiew, Charkow und zurück nach Moskau. Sie kam aus der UdSSR nicht als Freundin des Kommunismus zurück, sondern als entschiedene Verfechterin des westlichen Liberalismus, eine politische Position, die sie während ihres ganzen Lebens beibehielt. Ihre Reportage wurde auf der Titelseite der Ullstein Zeitungen sowie im ganzen Reich der Magazine angekündigt, und so konnte sie jetzt mit Zuversicht in eine Zukunft als erfolgreiche Journalistin blicken.
Die nahe Zukunft bedeutete zwei Monate später eine Reise nach Französisch-Westafrika mit Start in Dakar und Fahrten ins Landesinnere mit dem Auto bis tief in den Busch nach Gaoua, Ougadougou, Bobo-Dioulassor und Segou, wo bei jedem Stopp die ungewollte Aufmerksamkeit und die sehnsüchtigen Blicke unverheirateter oder unbegleiteter französischer Kolonialbeamter abgewehrt werden mussten. Kurz nach ihrer Rückkehr nach Berlin schlug der gerade Witwer gewordene Dr. Franz Ullstein die Heirat vor. Damals war Rosie Gräfenberg ungefähr 31 Jahre alt, und wie es ihrer Gewohnheit entsprach, war Dr. Ullstein mit seinen 63 Jahren mehr als doppelt so alt wie sie.
Wenn ihre erste Ehe ein Fehler gewesen war, so war ihre zweite Ehe ein Desaster. Wie es vorauszusehen war, sahen die vier anderen Ullstein-Brüder und ihre Familien, nicht zu vergessen seine beiden Kinder aus erster Ehe, die neue Frau Doktor Ullstein als Abenteurerin und Goldgräberin. Ihre Mutter, die zwölf Jahre jünger war als Dr. Ullstein, missbilligte die Ehe und bemerkte, er sei sogar zu alt für sie. Die Aussichten für die Heirat verbesserten sich wahrscheinlich nicht sonderlich durch Rosies Vorhaben, Kobra als ihren Liebhaber zu behalten, eine Tatsache, die dem Ullstein-Clan wohl bekannt war. Die Aussichten besserten sich auch nicht, als Franz Ullstein am ersten Tag nach ihrer Hochzeitsreise nach Paris mit einem gelähmten Gesicht erschien, was sofort einem Schlaganfall zugeschrieben wurde, den der unglückselige ältere Herr wegen seiner beträchtlich jüngeren Frau erlitten hatte.
Als es den Ullstein-Brüdern nicht gelang, das Paar in Güte zu überzeugen, sich scheiden zu lassen, taten sie sich mit einigen ihrer Herausgeber und einem Franzosen zusammen, den Rosie als notorischen Erpresser bezeichnete, und setzten Gerüchte in die Welt, dass sie eine Spionage Agentin sei. Bei verschiedenen Gelegenheiten wurde behauptet, sie spioniere für Deutschland gegen Frankreich, für Frankreich gegen Deutschland, für Frankreich gegen Sowjetrussland, oder für Sowjetrussland gegen Frankreich. In kurzen Abständen sickerte die Angelegenheit durch zur Ullstein Presse und darüber hinaus und konnte nur mit einer Beleidigungsklage angefochten werden, die schließlich im März 1931 vor dem Gericht in Moabit verhandelt wurde. Am Ende dieses langwierigen und teuren Rechtsstreits wurde Rosies Unschuld an jeglicher Spionage festgestellt, aber inzwischen war ihre Ehe mit Franz Ullstein im Dezember vorher geschieden worden. Die Gerichtsverhandlungen endeten mit einer Entschuldigung an Rosie; die Scheidung von Ullstein sicherte jedoch, nach den Worten ihres Anwalts, ihren Lebensunterhalt bis ans Ende ihres Lebens.
Kurz nachdem all die Rechtsstreitigkeiten beendet waren, wahrscheinlich im Verlauf des Jahres 1931, muss Rosie zum ersten Mal die Vereinigten Staaten aufgesucht haben. Sie schreibt ihre Meinung als Dr. Rosie Gräfenberg in der ‚Saturday Evening Post‘ mit beißender Kritik an einigen politischen Artikeln, die in der Rubrik ‚As Others See Us‘ veröffentlicht wird. Interessanterweise schreibt sie, „wir neigen immer dazu, uns falschen Ideen hinzugeben und den Franzosen dafür die Schuld zu geben,“ wobei der Gebrauch des „wir“ darauf schließen lässt, dass sie sich schon entschlossen hatte, in den Vereinigten Staaten zu bleiben. Trotzdem kehrte sie gelegentlich zu Besuchen nach Deutschland zurück, sie war z.B. im März 1936 in Berlin, als die deutsche Armee in das Rheinland einmarschierte, und während des folgenden Winters.
1934 veröffentlichte sie „Prelude to the Past: The Autobiography of a Woman“ mit den Initialen „R. G.“ auf der Titelseite. Das Werk bietet eine farbige, häufig amouröse und witzige Erzählung über ihre Jugend, Ausbildung, Karriere und ihre Heiraten bis zur Ullstein Affäre und ihren Aufbruch in die Vereinigten Staaten. Das Buch wurde im allgemeinen als eine freimütige und anspruchsvolle Erzählung aufgenommen, wie es die Autorin beabsichtigt hatte. Malcolm Cowley schreibt unter anderem in der ‚New Republic‘: ...das Beste was man über sie sagen kann, ist, dass ihre Moral die der verrückten Welt war, in der sie lebte“, letzteres weil „es eine Gesellschaft gänzlich ohne Maßstäbe war.“ Am Ende schließt Cowley ärgerlich: „Wenn man ihr Buch gelesen hat, gefällt einem Hitler keineswegs besser, aber man kann verstehen, warum viele Menschen ihn als Retter betrachten. Es gibt Epochen, die so heillos unter das Niveau der Würde des Menschen gefallen sind, dass sogar ein falscher und teuflischer Messias für den Augenblick besser erscheint als gar keiner.“
Nicht weniger bemerkenswert war eine Besprechung von Dorothy Thompson in den angesehenen Seiten der ‚Saturday Review of Literature‘ :„ein gesellschaftliches Dokument ersten Ranges; eines Tages werden Historiker, die über den Zusammenbruch des Bürgertums im Europa des 20. Jahrhunderts berichten, nach Quellen aus erster Hand suchen. Und ich hoffe, dass das Buch dann noch existiert.“
Mit dem Erfolg einer gut rezensierten Autobiographie hinter sich, kehrt Rosie Gräfenberg in die Welt des ernsthaften Journalismus zurück. Im Frühjahr 1937 veröffentlicht ‚Foreign Affairs‘ einen nachdenklichen Artikel „The Great New Migration“, in dem sie die Geschichte der Migranten in der Welt seit dem Ersten Weltkrieg untersucht. Sie erzählt von der Not der Russen, Griechen, Armenier, Bulgaren, Assyrer, Deutschen, Saarländer, Ungarn, Spanier, die in den
letzten neunzehn Jahren zu Flüchtlingen wurden und lenkt die Aufmerksamkeit auf den Nansen-Pass, den Dr. Fridtjof Nansen während seiner Zeit als Hochkommissar für Flüchtlinge beim Völkerbund von 1921 bis 1930 konzipiert hatte, und den sie befürwortet. Der zweite Teil des Artikels ist ein starker, aber ausgewogener und gut begründeter Appell an das Mitgefühl und die Zuwendung zu den Bedürfnissen der 115 000 Deutschen, davon 100 000 Juden, die in den vier Jahren seit 1933 vor den Nazis geflüchtet sind. Sie merkt an, dass die Zahl der Flüchtlinge in Zukunft wohl noch zunehmen wird und sich das Problem durch die wirtschaftliche Depression noch verschlimmert und schlägt vor, die Nansen-Behörde beim Völkerbund wieder einzusetzen und eine Anleihe von 10 Millionen Dollar aufzulegen, damit diese arbeiten könne. Sie bittet ein wenig zwischen den Zeilen um eine erhöhte Zuwanderung der Deutschen in die Vereinigten Staaten und schließt mit einer Beschreibung der Vorteile, die eine solche Einwanderung hinsichtlich vitaler, erfindungsreicher und begabter Zuwanderer mit sich bringt, die der Freiheit und den demokratischen Werten verpflichtet und die bereit und willens sind, sich zu assimilieren, sobald sie eine Anstellung bekommen.
Zum ersten Mal zeichnet Rosie Goldschmidt-Gräfenberg-Ullstein ihren Artikel in ‚Foreign Affairs‘ 1937 mit „Gräfin Waldeck“, ein Name, den sie von da an durchwegs benutzte, wie wohl nicht immer mit dem Titel. In einer Besprechung von Athénée Palace im ‚Times Magazine‘ erfährt man von einer Heirat „..bei der Freundschaft und deutsche Passbelange geschickt miteinander vereint waren.“ In Daten des FBI wird ersichtlich, dass ein ungarischer Graf Waldeck existierte, dass die künftige Gräfin Waldeck 1935 nach Ungarn reiste und ihn dort heiratete. Sie wurden im gegenseitigen Einvernehmen 1938 geschieden.
Im Kontext der Zeiten und Umstände ist es klar, dass Passbelange das treibende Motiv waren. Ab 1935 hätte die Nazi-Regierung in Berlin jedem deutschen Juden, der in New York seinen ständigen Wohnsitz hatte, die Staatsbürgerschaft entzogen und den Pass einbehalten. Höchstwahrscheinlich hatte zu dieser Zeit jede Ehefrau eines ungarischen Staatsbürgers automatisch Anspruch auf einen ungarischen Pass. So gelangte Waldeck in den Besitz eines gültigen Passes, um die Zeit bis zur Erlangung der amerikanischen Staatsbürgerschaft zu überbrücken, die sie wohl 1938 bekam, als sie und Graf Waldeck sich scheiden ließen. Die Reise nach Ungarn wegen der Heirat mit Graf Waldeck sollte ihr später bei der amerikanischen Immigrations- und Einbürgerungsbehörde Probleme bereiten, als bei der Anhörung ihre Reise nach Ungarn bekannt wurde, die gegen die Vorschrift der permanenten Anwesenheit innerhalb einer bestimmten Periode verstieß, die Anwärter auf die amerikanische Staatsbürgerschaft einhalten mussten.
Im November 1939 veröffentlichte sie in der ‚New Republic‘, einer der intelligenten liberalen Wochenzeitschriften, ihre Ansichten zu der Frage „Is there ‚Another Germany‘?“/ Gibt es ein ‚anderes Deutschland‘? Sie beantwortete ihre rhetorische Frage entschieden: „Das ‚andere Deutschland‘ ist eine Illusion.“ Deutsche Kommunisten waren verraten worden vom Ribbentrop-Molotow Pakt und würden sich vielleicht auf die Seite der Nazis schlagen, die deutsche Jugend folgte begeistert Hitler, die deutschen Konservativen begrüßten die russische Wiederannäherung, die Propaganda der Alliierten war ineffektiv. Kurz gesagt, die Deutschen waren allesamt weit entfernt vom Liberalismus, sie glaubten, der Totalitarismus sei die Welle der Zukunft und unter-
stützten Hitlers Ruf nach dem Reich; und auf jeden Fall war die Repression der Nazis allgegenwärtig, um die Unterstützung für das ‚andere Deutschland‘ einzudämmen. Mit beträchtlicher Voraussicht kam sie zu dem Schluss, die einzig realistische Hoffnung für ein Nicht-Nazi-Deutschland wäre, dass nach dem Sieg der Alliierten ‚das andere Deutschland‘ zum zukünftigen Frieden beitragen könne, aber nichts dafür tue, um den gegenwärtigen Krieg abzukürzen.
Offenbar im Frühjahr 1940 brach Waldeck nach Europa auf, um ihre Arbeit als freie Korrespondentin der ‚Newsweek‘ in Bukarest aufzunehmen. In Rumänien blieb sie seit der Besetzung Frankreichs bis zur Niederschlagung des Legionärsaufstands und verließ das Land Ende Januar 1941. Während ihres siebeneinhalb-monatigen Aufenthalts in Rumänien berichtete sie regelmäßig an ihr Büro in New York, denn aus Rumänien gab es jede Menge Nachrichten und eine noch größere Menge an Gerüchten, da das Land von einer Krise in die andere schlitterte. Es ist nicht klar, wie viele ihrer Originalbeiträge im Zeitraum ihres Aufenthalts den Redakteuren und Korrektoren in New York bei der Berichterstattung der ‚Newsweek‘ über die Ereignisse in Rumänien entgingen. Obwohl alle Nachrichtenartikel in der ‚Newsweek‘ nicht signiert sind, kommen einem bestimmte Satzwendungen und Metaphern bekannt vor; und sicherlich beruhten die großen Artikel über Rumänien überwiegend auf ihrem Beitrag.
Angesichts von Chaos und Gewalt und von zunehmender deutscher Unterdrückung hatten die meisten britischen Journalisten Ende Januar 1941 Rumänien längst verlassen, und die wenigen Amerikaner, die noch geblieben waren, packten ihre Koffer, darunter auch Waldeck. Sie reiste via
Italien durch Europa und schiffte sich am 21. Februar in Lissabon an Bord der American Export Lines S.S. Exeter
in Richtung Heimat ein. Sie kam am 4. März wohlbehalten
in Jersey City an und wurde zwei Tage später von Peter Kihss vom New Yorker ‚World Telegram‘ interviewt. Er war fasziniert von der „Trägerin eines ungarischen Adelstitels, die witzig, frisch eine Fabuliererin, aber eine Realistin“ war. Mit der ihr eigenen Tatkraft und Energie hatte sie nicht nur gleich zwei Tage nach ihrer Ankunft das Interview mit Kihss, sondern besprach sich auch mit Robert McBride § Co. wegen eines Buches über ihre Erlebnisse in Rumänien und startete von New York aus eine Lesereise in den Mittleren Westen, die von W.C. Leigh arrangiert war.
Das Buch, über das Waldeck mit Robert McBride § Co. diskutiert hatte, wurde im Februar 1942 unter dem Titel „Athene Palace“ mit Gräfin Waldeck auf der Titelseite veröffentlicht, zwei Monate nach Amerikas Eintritt in den Zweiten Weltkrieg. Der Zeitpunkt hierfür war ideal, es war sozusagen der letzte Blick einer Amerikanerin, bevor sich die Tür schloss vor einem von Nazis beherrschten Europa. Das Buch erwies sich als eine Art Kriegs-Bestseller, dem bald darauf 1942 eine Britische Ausgabe im Verlag Constable folgte, und es wurde vom ‚National Travel Club‘ als Auswahl für seine Mitglieder gekürt.
Das Buch erhielt sofort exzellente Kritiken. Die ‚New Republic‘ führte es ein als „Der Krimi der anti-Nazi Literatur“ und Time gratulierte Gräfin Waldeck, die „die Zeitgeschichte aus dem Bestattungsinstitut in das Grand Hotel versetzt“. Sowohl das Thema als auch ihr Stil und Tonfall zogen viele positive Kommentare nach sich. Das Hauptthema von „Athénée Palace“ ist genau genommen Gräfin Waldecks „Hoffnung für die Zukunft“, und sie bestand geschickt darauf, dass ihre Geschichte nicht so sehr auf eine Beschreibung der Rumänen hinausläuft als auf die der Nazis in Rumänien, die in den Krieg und in die endgültige Katastrophe hineinschlittern. Der ‚Christian Science Monitor‘ sah deutlich, „während die rumänische Geschichte interessant und wichtig ist, werden viele ihren Bericht über die Meinungen der Nazis und ihre Gründe für bestimmte Handlungsweisen noch fesselnder finden“.
1943 kam sie, auf der Titelseite einfach als R.G. Waldeck, zurück auf Vorhersagen hinsichtlich der zukünftigen Ausrichtung der deutschen Politik. „Meet Mr. Blank: The Leader of Tomorrow‘s Germans“ ist ein Versuch, den Ausgangspunkt für eine deutsche Nachkriegsführung zu
finden.
Während „Meet Mr. Blank“ nur ein mittlerer Erfolg beschieden war, wandte sich Waldeck einem neuen literarischen Feld zu, dem historischen Roman; 1946 erschien „Lustre in the Sky“ (dt. „Venus am Abendhimmel“), dessen Thema für sie nicht neu war, da es schon in „Meet Mr. Blank“ angeklungen war: Talleyrand und der Wiener Kongress.
Zwei Jahre später veröffentlichte sie „The Emperor‘s Duchess“, einen weiteren historischen Roman, der auch vom Europa Napoleons handelt. Beide Romane wurden ins Französische übersetzt und hatten in dieser Sprache einen Erfolg, den sie im englischen Original nicht hatten. Als Waldeck 1950 Paris besuchte, war sie angenehm überrascht, als sie als „die Autorin des wunderbaren Talleyrand Romans“ vorgestellt wurde. Sie schrieb die Popularität des Buches der Nostalgie der Franzosen nach dem Empire zu und einer Begeisterung für amerikanische Romane in der Nachkriegszeit.
Im 1951 erschienenen „Europe between the Acts“, wohl ihrer letzten Veröffentlichung, geht es in einem Kapitel um Feldmarschall Erwin Rommel, von dem sie das Bild eines eitlen und egoistischen, den strengen Regeln seines Berufs nicht entsprechenden deutschen Offiziers zeichnet, der, obwohl kein Parteimitglied, ein aufrichtiger Bewunderer Hitlers war, beleidigend gegen ranghöhere Offiziere, maßlos in seinen Ambitionen und seiner Selbstüberschätzung gegenüber seinen Generälen, die in der Selbstgenügsamkeit des preußischen Generalstabs erzogen waren.
Das Kapitel über Rommel ist eine Art Nebenschauplatz im Buch, in dem Waldeck ihre Eindrücke über Westeuropa nach dem Krieg resümiert. Es beginnt mit einem Besuch in Großbritannien im Juni 1948, und das Nachwort trägt das Datum vom 1. Oktober 1950 in München. Die meiste Zeit scheint ihr Hauptstandort Paris gewesen zu sein, von wo aus sie sich zu längeren Aufenthalten nach Deutschland, Italien, Schweden, Dänemark, Finnland, Holland, Belgien und in die Schweiz wagte. Wie der Titel ihres Buches zeigt, sieht sie Europa am Tiefpunkt zwischen Perioden beachtlicher Leistungen, das noch benommen ist von den Zerstörungen des Krieges und ungewiss der zukünftigen Entwicklung. Es ist insgesamt ein persönliches Buch, bestehend aus Begegnungen und Interviews mit alten Bekannten, ein Werk voller Atmosphäre, das nicht beansprucht ein ausgewogenes, unparteiisches oder allumfassendes Bild abzuge-
ben.
Mit der Veröffentlichung von „Europe between the Acts“ im Alter von 53 Jahren hat Waldeck offensichtlich ihre bewegte und eigenwillige Karriere als Journalistin und Autorin beendet.
Sie starb 31 Jahre später am 8. August 1982 in New York City.
Trotz des Schweigens während ihrer letzten drei Jahrzehnte, kann man Waldecks Leben nur als engagiert und aufregend bezeichnen. Ihre ersten 32 Jahre, die sie hauptsächlich in Deutschland verbrachte, waren ereignisreich genug, um eine fesselnde Autobiographie zu rechtfertigen, die auch mehr als ein halbes Jahrhundert später nichts von ihrem Charme eingebüßt hat. Ihre Romane über die napoleonische Zeit, die gut recherchiert sind und die Epoche detailgetreu wiedergeben, werden auch weiterhin für Studenten der französischen Geschichte interessant bleiben. Ihre drei Bücher mit Reportagen zur europäischen, insbesondere zur deutschen Zeitgeschichte vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg, werden auch weiterhin gelesen werden wegen der geistreichen, respektlosen und aufschlussreichen Kommentare einer intelligenten, kultivierten Frau, die gleichermaßen in Kontinentaleuropa und Nordamerika zu Hause war und deren Sprachen fließend beherrschte. Von allen ihren Büchern ist jedoch „Athénée Palace“ dasjenige, welches beim Erscheinen am meisten gelesen und am besten aufgenommen wurde, und es wird wohl am stärksten verbunden bleiben mit Gräfin Waldeck und Bukarest in dieser unruhigen Zeit.
Neun große Krisen ereigneten sich in Rumänien, als Gräfin Waldeck im „Athénée Palace“ lebte, und mit ihnen kamen Nachrichten, die die Weltaufmerksamkeit tagelang oder sogar wochenlang beschäftigten; folglich ließen sich zusätzliche Auslandskorrespondenten in Bukarest nieder, die detailliert darüber berichteten. Es waren folgende Ereignisse:
Die Niederlage Frankreichs und der Abzug der britischen Truppen aus Kontinentaleuropa im Juni 1940. Rumänien war seit Beginn seines Kampfes für die Unabhängigkeit auf die Unterstützung und Freundschaft Frankreichs angewiesen. Viele Rumänen hatten ihre Ausbildung in Frankreich absolviert, und es gab enge freundschaftliche Beziehungen zwischen den beiden Ländern mit romanischen Sprachen. Frankreich, Großbritannien und Rumänien hatten als Alliierte im Ersten Weltkrieg gemeinsam gekämpft, und als die Rumänen realisierten, dass Frankreich nicht mehr da war, um ihnen zu helfen, und dass sie nun alleine gegen ihre Gegner vorgehen mussten, war das für sie ein traumatisches Erwachen.
(A. P., Kapitel 1 und 2)
Die Bessarabien-Krise begann mit dem sowjetischen Ultimatum an Rumänien am 26. Juni 1940 und endete mit der sowjetischen Besatzung Bessarabiens und der Einsetzung der pro-deutschen Regierung von Ion Gigurtu am 4. Juli 1940.
(A. P., Kapitel 5)
Die Transsilvanien-Krise begann offiziell mit der rumänisch-deutschen Konferenz in Salzburg am 26. Juli 1940, setzte sich fort durch die rumänisch-ungarischen Treffen in Turnu-Severin vom 16.-24. August, dem Wiener Schiedsspruch am 30. August und der darauf folgenden Annektion Nordtranssilvaniens durch Ungarn im September.
(A. P., Kapitel 6)
Die durch den Wiener Schiedsspruch hervorgerufene politische Krise in Rumänien hatte den Rücktritt der Gigurtu Regierung am 4. September 1940 zur Folge, die Aufhebung der Verfassung von 1938, die Übernahme der diktatorischen Macht durch General Ion Antonescu, dann in Koalition mit der „Eisernen Garde“ und die Abdankung von König Carol II. am Morgen des 6. Septembers 1940. Die Ankunft der deutschen Militärmission unter den Generälen Hansen und Speidel in Bukarest Mitte Oktober 1940.
(A. P., Kapitel 11)
Das Erdbeben am 10. November 1940 um 3.30 Uhr, das das Carlton Haus zum Einsturz brachte und tausende Gebäude zerstörte, mit entsprechend vielen Toten und tausenden von Obdachlosen.
(A. P., Kapitel 13)
Die Unruhen der „Eisernen Garde“, das „Jilava Massaker“ in der Nacht vom 26. zum 27. November 1940 und die Ermordung von Virgil Madgearu und Nicolae Iorga in der folgenden Nacht.
(A. P. Kapitel 13)
Die Ermordung von Major Döring am 18. Januar 1941, der „Eiserne Garde Putsch“ und die Pogrome in der folgenden Woche.
(A. P., Kapitel 15)
Gräfin Waldeck war wegen all dieser Ereignisse in Bukarest, und in „Athénée Palace“ beschreibt und diskutiert sie diese, wie sie sich aus ihrer Sicht darstellten, mit einem genauen Blick fürs Detail und manchmal mit beißendem Witz. Was beim ersten Erscheinen ihre Erinnerungen besonders interessant und bedeutsam machte, war ihr Bemühen, den Standpunkt der deutschen Politik zu verstehen. Weil ihr das gelang, ist Athénée Palace auch heute, nach mehr als 75 Jahren seit der Erstveröffentlichung, kein bisschen weniger interessant und wichtig. Besonders nennenswert sind ihre Berichte über Gespräche und Treffen mit Personen wie Dr. Neubacher (Kapitel 3), Edit von Coler, Salondame und Agentin (Kapitel 4), und dem deutsch-englischen Geschäftsmann Dr. Tester (Kapitel 10). In Kapitel 12 erfährt man von dem äußerst interessanten Gespräch zwischen Waldeck und einem deutschen hohen Offizier des Generalstabs, der als das „Hohe Tier“ bezeichnet wird. Es handelt sich hier wahrscheinlich um Oberst Johann von Ravenstein. Ein weiterer wichtiger Gesprächspartner Waldecks ist der amerikanische Oberstleutnant John Paul Ratay, den sie ihren „liebsten Militärattaché“ nennt. Seine brüsken, aber gut überlegten Beobachtungen, die mit harten, realistischen Einschätzungen über die Kapazitäten der Deutschen und der Alliierten einher gingen, verdienten ihre Zuneigung und ihren Respekt. Hingegen fand sie die amerikanischen Journalisten in Bukarest meist naiv und uninformiert, und sie bemängelte, dass diese die Nazis nicht interviewten - „vielleicht weil sie mehr Hass gegen sie als Neugier für sie empfanden. Ich hatte auch die Neugier.“
Wenn Waldeck die amerikanischen Journalisten kritisierte, so taten diese es umgekehrt noch mehr.
Ihr häufiges Zusammensein mit Nazi-Offiziellen erschien Robert St. John von der AP (Associated Press) wie ein Verrat an ihrer jüdischen Herkunft. Später beschreibt er sie „als die einzige Reporterin, die er kannte, die aus einer Hotel-Lobby über einen Krieg zu berichten versuchte.“ Leigh White verdächtigte Waldeck, eine Art deutsche Agentin zu sein, und er war nicht der einzige amerikanische Journalist, der diese Ansicht vertrat.
Der Verfasser konnte jedoch kein überzeugendes Beweismaterial zu Tage fördern, dass dieser Verdacht auf mehr als auf persönlichen Konflikten und den übersteigerten Empfindungen der Kriegszeit beruht hätten. Gräfin Waldecks Charakter ging manchen Amerikanern eindeutig gegen den Strich. Ihre Entschlossenheit, Hitler und die Nazis so realistisch und objektiv wie möglich zu sehen, enttäuschte sicherlich viele, die die Nazis zu Recht als das Böse ansahen und von einem deutsch-jüdischen Flüchtling erwarteten, in die Aburteilung mit einzustimmen und nicht in scheinbar akademischer Unparteilichkeit zu verharren. Darüber waren sie zutiefst enttäuscht und reagierten, indem sie sie persönlich angriffen.
Wenn Gräfin Waldeck eine Geringere war als die gradlinige, ehrliche und intelligente, wenn auch etwas exzen-
trische Journalistin, die sie sein wollte, ist das ein schwerer Vorwurf, der durch mehr begründet sein muss als durch Enttäuschungen und frei in Umlauf gesetzte, unbegründete Verdächtigungen. Bis vielleicht in Zukunft eine solche Begründung kommt - und der Verfasser zweifelt daran - wird sie eine höchst fesselnde und unterhaltsame Journalistin bleiben, deren „Athénée Palace“ ein verständnisvolles, aber nicht unkritisches Bild von Personen, politischen Strategien und Nationen abgibt, die in einen verheerenden Krieg stürzten, woran alle hinreichend Schuld trugen. Waldecks Fähigkeit, sich plötzlich in ein Land zu begeben, das sie anscheinend vorher nie besucht und mit dem sie sich kaum beschäftigt hat, dort schnell die wichtigsten Personen und Probleme auszumachen und zu verstehen und dann ein Jahr später mit einem Buch herauszukommen, dessen Inhalt und Stil eine neue Ausgabe über ein halbes Jahrhundert später rechtfertigt, zeigt sicherlich den herausragenden Rang der großen Journalistin und begabten Schriftstellerin, die Gräfin Waldeck sicherlich war.
Ernest H. Latham, Jr. Ph. D.
Washington DC, 2005