Die Autorin über „Der Himmel im Bauch“
Ich habe „Der Himmel im Bauch“ so geschrieben, wie man eines Morgens den Schrank öffnet und sich das schönste Kleid anzieht. Man fragt sich nicht, ob dafür das richtige Wetter ist, ob man im Büro oder der Straßenbahn unpassend gekleidet erscheinen könnte. Mit großen Blumen, sommerlich, duftig oder nicht, grade oder glockenartig, deine kleine Verrücktheit, die du wenigstens für einen Tag nach außen trägst. Ich habe dieses Buch zweifach geschrieben. Erst in Fragmenten - einfach und ohne jede Literarizität - über die Tage, in denen ich selbst schwanger war. Dann durchzog ich den Text, ohne dabei an ein Genre zu denken, mit Prosa und Lyrik und setzte dabei vor allem auf Authentizität.
In „Der Himmel im Bauch“ bin ich Mutter, kartographiere mein neues Leben - mit meinen elf Geschwistern an der Seite, anderen Müttern, die ich kannte oder über die ich in der Zeitung gelesen hatte, einem kleinen, ungeborenen Jungen und immer ganz nah Mir, Mircea Cărtărescu, der zukünftige Vater.
Dieses Buch handelt nicht von der Gnade der Mutterschaft, sondern von Krankenhäusern, Vorurteilen und konkretem Leid. Es handelt von uns, von dem neuen Jahrhundert, dessen Perle wir auf dem Abakus weitergeschoben haben. Über das Wunderbare, die Menschheit und die Liebe. Es ist ein Buch darüber, wie und dass sich die Geschichte durch die Frauen hindurch fortsetzt.
Aktualisiert: 2023-05-30
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Heranwachsend
Ioana Nicolaie thematisiert in „Der Norden“ eine Mädchenkindheit
Von Anke PfeiferRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anke Pfeifer
Besprochene Bücher / Literaturhinweise
Der Titel „Der Norden“ assoziiert Kühle, ja Kälte. Diese Gedankenverknüpfung unterstreicht auch das Buchcover, das ein Porträtfoto der Dichterin ziert, deren Haar und schwarze Mütze mit Schnee bestäubt sind. Zwar ist die Lyrikerin tatsächlich im Norden geboren und aufgewachsen, aber es ist der Norden Rumäniens – ganz in der Mitte Europas. Von dieser geographischen Heimat handeln die Gedichte auch. Eher ist es eine emotionale Frostigkeit, die über dem Werk liegt. Gefühle wie Angst, Entsetzen, Trübseligkeit, Gleichförmigkeit und Verlassenheit sind vorherrschend.
Der Band enthält 53 Gedichte, die überwiegend Ein-Wort-Titel tragen, wie „Teer“, „Belauert“, „Damals“ oder „Schämen“. Die meisten der Gedichte haben einen Umfang von ein bis zwei Seiten, lediglich „Rückkehr“ umfasst 18 Seiten und integriert auch Prosapassagen.
Die Gedichte von Ioana Nicolaie zeichnen sich durch eine hohe Ich-Bezogenheit aus. Geboren 1974, ist sie eine Vertreterin jener Generation, die in den 1990er-Jahren debütierte und sich bevorzugt mit dem eigenen Leben, dessen Alltäglichkeiten und ebenso mit traumatischen Erfahrungen künstlerisch auseinandersetzt. In der den Gedichten vorangestellten Widmung erscheinen namentlich neben den Eltern auch alle ihre zehn Geschwister, die in den Poemen Erwähnung finden.
Nicolaie zeichnet die Entwicklung eines Mädchens bis ins junge Erwachsenenalter nach und greift dabei bis auf die Zeit vor ihrer Geburt zurück. Die Lektüre hinterlässt beim Leser einen bedrückenden Eindruck. Ioana Nicolaie präsentiert eine wenig glückliche Kindheit. Immer wieder wird die Mutter ungewollt schwanger, ist von der Arbeit überlastet. Das Ich in den Gedichten fühlt sich ungeliebt und einsam. Schon das Leben des Kindes ist angefüllt mit Arbeit, sei es bei der Beaufsichtigung der jüngeren Geschwister, deren Aufzucht trotz Liebe strapaziös ist, oder bei der Mithilfe in Haus und Garten. Die Rede ist von Armut, Hunger und unerfüllten kindlichen Wünschen. In der Schule scheint das lyrische Ich Außenseiterin zu sein, findet sich hässlich und von anderen beleidigt. Daraus entwickelt sich eine große Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit, die die erwachsen Gewordene in der Rückschau dann doch in einzelnen Momenten entdecken kann, etwa dann, wenn der Vater über alles wacht. Nur das lange Gedicht „Rückkehr“ lässt so etwas wie Harmonie und Einssein mit dem Vater oder der Großmutter spüren.
Protokolliert wird die körperliche Entwicklung vom Mädchen zur Frau. Zunächst noch wie ihre Brüder knabenhafter Gestalt und in Hosen gekleidet, fühlt sie sich eher geschlechtslos („die schiefen Knäule der Brüste; die kleben nachts schmerzend; auf deinem rechten Brustbein; du Jungenmädchen“), später als Mädchenmädchen.
Ioana Nicolaie versucht, weiblichem Denken und Gefühlen Ausdruck zu verleihen, besteht dabei auf Authentizität und Übertragung der Wahrheit ins Ästhetische. Sie veröffentlichte in Rumänien seit 2000 unter anderem vier Lyrikbände sowie einen Roman und wird zu den wichtigsten jungen Stimmen der Gegenwartliteratur ihres Landes gezählt. Eva Ruth Wemme hat dazu stimmige Nachdichtungen geschaffen.
Aktualisiert: 2023-05-30
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Die Autorin über „Der Himmel im Bauch“
Ich habe „Der Himmel im Bauch“ so geschrieben, wie man eines Morgens den Schrank öffnet und sich das schönste Kleid anzieht. Man fragt sich nicht, ob dafür das richtige Wetter ist, ob man im Büro oder der Straßenbahn unpassend gekleidet erscheinen könnte. Mit großen Blumen, sommerlich, duftig oder nicht, grade oder glockenartig, deine kleine Verrücktheit, die du wenigstens für einen Tag nach außen trägst. Ich habe dieses Buch zweifach geschrieben. Erst in Fragmenten - einfach und ohne jede Literarizität - über die Tage, in denen ich selbst schwanger war. Dann durchzog ich den Text, ohne dabei an ein Genre zu denken, mit Prosa und Lyrik und setzte dabei vor allem auf Authentizität.
In „Der Himmel im Bauch“ bin ich Mutter, kartographiere mein neues Leben - mit meinen elf Geschwistern an der Seite, anderen Müttern, die ich kannte oder über die ich in der Zeitung gelesen hatte, einem kleinen, ungeborenen Jungen und immer ganz nah Mir, Mircea Cărtărescu, der zukünftige Vater.
Dieses Buch handelt nicht von der Gnade der Mutterschaft, sondern von Krankenhäusern, Vorurteilen und konkretem Leid. Es handelt von uns, von dem neuen Jahrhundert, dessen Perle wir auf dem Abakus weitergeschoben haben. Über das Wunderbare, die Menschheit und die Liebe. Es ist ein Buch darüber, wie und dass sich die Geschichte durch die Frauen hindurch fortsetzt.
Aktualisiert: 2020-03-13
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Ioana Nicolaie thematisiert in „Der Norden“ eine Mädchenkindheit
Von Anke PfeiferRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anke Pfeifer
Besprochene Bücher / Literaturhinweise
Der Titel „Der Norden“ assoziiert Kühle, ja Kälte. Diese Gedankenverknüpfung unterstreicht auch das Buchcover, das ein Porträtfoto der Dichterin ziert, deren Haar und schwarze Mütze mit Schnee bestäubt sind. Zwar ist die Lyrikerin tatsächlich im Norden geboren und aufgewachsen, aber es ist der Norden Rumäniens – ganz in der Mitte Europas. Von dieser geographischen Heimat handeln die Gedichte auch. Eher ist es eine emotionale Frostigkeit, die über dem Werk liegt. Gefühle wie Angst, Entsetzen, Trübseligkeit, Gleichförmigkeit und Verlassenheit sind vorherrschend.
Der Band enthält 53 Gedichte, die überwiegend Ein-Wort-Titel tragen, wie „Teer“, „Belauert“, „Damals“ oder „Schämen“. Die meisten der Gedichte haben einen Umfang von ein bis zwei Seiten, lediglich „Rückkehr“ umfasst 18 Seiten und integriert auch Prosapassagen.
Die Gedichte von Ioana Nicolaie zeichnen sich durch eine hohe Ich-Bezogenheit aus. Geboren 1974, ist sie eine Vertreterin jener Generation, die in den 1990er-Jahren debütierte und sich bevorzugt mit dem eigenen Leben, dessen Alltäglichkeiten und ebenso mit traumatischen Erfahrungen künstlerisch auseinandersetzt. In der den Gedichten vorangestellten Widmung erscheinen namentlich neben den Eltern auch alle ihre zehn Geschwister, die in den Poemen Erwähnung finden.
Nicolaie zeichnet die Entwicklung eines Mädchens bis ins junge Erwachsenenalter nach und greift dabei bis auf die Zeit vor ihrer Geburt zurück. Die Lektüre hinterlässt beim Leser einen bedrückenden Eindruck. Ioana Nicolaie präsentiert eine wenig glückliche Kindheit. Immer wieder wird die Mutter ungewollt schwanger, ist von der Arbeit überlastet. Das Ich in den Gedichten fühlt sich ungeliebt und einsam. Schon das Leben des Kindes ist angefüllt mit Arbeit, sei es bei der Beaufsichtigung der jüngeren Geschwister, deren Aufzucht trotz Liebe strapaziös ist, oder bei der Mithilfe in Haus und Garten. Die Rede ist von Armut, Hunger und unerfüllten kindlichen Wünschen. In der Schule scheint das lyrische Ich Außenseiterin zu sein, findet sich hässlich und von anderen beleidigt. Daraus entwickelt sich eine große Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit, die die erwachsen Gewordene in der Rückschau dann doch in einzelnen Momenten entdecken kann, etwa dann, wenn der Vater über alles wacht. Nur das lange Gedicht „Rückkehr“ lässt so etwas wie Harmonie und Einssein mit dem Vater oder der Großmutter spüren.
Protokolliert wird die körperliche Entwicklung vom Mädchen zur Frau. Zunächst noch wie ihre Brüder knabenhafter Gestalt und in Hosen gekleidet, fühlt sie sich eher geschlechtslos („die schiefen Knäule der Brüste; die kleben nachts schmerzend; auf deinem rechten Brustbein; du Jungenmädchen“), später als Mädchenmädchen.
Ioana Nicolaie versucht, weiblichem Denken und Gefühlen Ausdruck zu verleihen, besteht dabei auf Authentizität und Übertragung der Wahrheit ins Ästhetische. Sie veröffentlichte in Rumänien seit 2000 unter anderem vier Lyrikbände sowie einen Roman und wird zu den wichtigsten jungen Stimmen der Gegenwartliteratur ihres Landes gezählt. Eva Ruth Wemme hat dazu stimmige Nachdichtungen geschaffen.
Aktualisiert: 2018-10-05
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