In früheren Zeiten hatten Sterben und Tod ihren festen Platz im Kreise der Familie. Es war ein gesellschaftlicher Vorgang, der zum Leben gehörte. Alle wussten ums Sterben – es war ein Teil des gesellschaftlichen Bewusstseins. Alltägliche Gebete wurden meist mit der Bitte „um eine glückliche Sterbstund“ abgeschlossen, und kam der Tod, stellte er ein besonderes und feierliches Ereignis dar: Das Sterbezimmer wurde mit Kerzen geschmückt, und Familienangehörige, Freunde und Nachbarn versammelten sich im Sterbezimmer.
Durch die festgelegten Abläufe war der Tod zwar ein erschreckender, aber auch ein fester und vertrauter Bestandteil des Lebens: Ganz natürlich verbildlichten Zeichnungen, posthume Lebendporträts und Totenmasken über Jahrhunderte hinweg und ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend Fotografien das persönliche Andenken an den Verstorbenen und hielten die Erinnerung wach.
In unserer Wohlstandsgesellschaft mit dem Glauben des „Alles ist machbar“ wurde das Sterben als natürlicher Vorgang in den letzten Jahrzehnten zunehmend tabuisiert und aus dem Blickfeld verbannt. Früher war das anders, bereits unmittelbar nach der Erfindung der Fotografie im 19. Jahrhundert hatte der Brauch eingesetzt, Verstorbene auf dem Sterbebett zu fotografieren. In Vorarlberger Archiven lagern umfangreiche Fotokonvolute von Post-mortem-Fotografien, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden sind. Im Buch Sterbstund werden zahlreiche, dieser großformatigen schwarz-weiß Fotografien erstmals öffentlich gezeigt. Sie lassen staunen und provozieren Fragen: Was ist wirklich wichtig im Leben? Worauf werde ich zurückblicken? Was wird wirklich gezählt haben?
Vergegenwärtigt man sich die eigene Endlichkeit mit diesen Fragen, so lernen wir das Leben und das Sterben besser zu verstehen, und wir werden möglicherweise auch leichter sterben können. Dabei ist „sterben ganz einfach: Du atmest aus und kannst nicht mehr einatmen – das war‘s“, erklärt der tibetische Buddhismus-Lehrer Sogyal Rinpoche.
Oder stirbt der Tod doch aus?
Durch die Verdrängung in Spitälern und Hospizen ist der Tod heute weitgehend unsichtbar geworden. Er ist nicht mehr, wie früher, ein Stück Leben – schon gar nicht für die Jungen. Er ist der gründlich tabuisierte Störenfried in einer Atmosphäre allseits verordneter und propagierter Genuss- und Lebenslust. Und doch ist der Tod unser aller Schicksal. Niemand entkommt ihm und niemand stirbt gern. Selbst diejenigen, die in den Himmel kommen wollen, möchten deswegen nicht sterben. Dabei kann die Auseinandersetzung mit der Endlichkeit eine wichtige Hilfe bei den wirklich großen Entscheidungen im Leben sein. „Denn fast alles – anderer Leute Erwartungen, Stolz, Versagensangst – wird im Angesicht des Todes unwichtig, es bleibt nur, was wirklich wichtig ist. Wer bedenkt, dass er sterben wird, fällt nicht der Illusion anheim, er habe etwas zu verlieren. Man ist sowieso nackt. Es gibt keinen Grund, nicht der Stimme des Herzens zu folgen“ – so Steve Jobs nach seinen Erfahrungen mit einer schweren Krebserkrankung.
Das Hereinlassen des Sterbens ins Leben war früher eine gut beherrschte Kunst. Sie ist ein Teil der Kunst des Lebens, der dieses Buch gewidmet ist.
Aktualisiert: 2016-03-09
Autor:
Theresia Anwander,
Ingrid Bertel,
Rita Bertolini,
Monika Helfer,
Wolfgang Hermann,
Michael Kasper,
Albert Lingg,
Ute Pfanner,
Andreas Rudigier,
Thomas Schiretz,
Maria Rose Steurer-Lang
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Dieses Buch erzählt die Geschichte eines ungewöhnlichen Arbeitszuwanderers in einer ungewöhnlichen Umgebung:
nämlich das Leben des Giovanni/Johann Bertolini (1859-1931), der es vom wandernden Bauarbeiter zum vielbeschäftigten Bauunternehmer gebracht und in seiner Wahlheimat, dem Bregenzerwald, bleibende Spuren hinterlassen hat.
Aktualisiert: 2016-02-05
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