Über das Mitleid im Kapitalismus

Über das Mitleid im Kapitalismus von Sznaider,  Natan, Welker,  Andrea
Mitleid und Moderne Menschen haben immer gelitten und leiden noch. Aber so, wie es immer Leid gab, so haben Menschen auf das Leid anderer reagiert. Sie haben mitgelitten oder Mitleid gespürt. Mitleid gab es schon immer. Was es nicht immer gab, ist eine spezifische Form des Mitleids, nämlich das bürgerliche, moderne und kapitalistische Mitleid, welches für unsere Zeit und für die Zeit in der Zukunft bezeichnend ist und sein wird. Ist die moderne Gesellschaft eine mitleidige oder sogar eine mitleidende? Ist sie im Stande, am Leiden anderer teilzuhaben, deren Leid selbst erleiden zu können, vor der Grausamkeit zu schaudern – gehen solche Empfindsamkeit und der Charakter moderner Gesellschaften zusammen? Wie kann so etwas im selben Atemzug behauptet werden? Es weiß doch jeder Mensch, dass unsere Welt grausam ist, dass wir aus einem Jahrhundert des Abschlachtens kommen, der Konzentrationslager, der Gaskammern, der Atombomben, des unsäglichen Leidens. Jeder Soziologe, Historiker, Philosoph, ja jeder, der glaubt, etwas zu sagen zu haben, wird sagen, wie grausam unsere moderne Gesellschaft ist, wie kalt und emotionslos der Kapitalismus sei, wie vereinsamt moderne Menschen. Mitleid? Kann es überhaupt eine andere intellektuelle und moralische Position geben als die, die Mitleid als den Zynismus der Moderne betrachtet? Mitleid, wenn überhaupt, so heißt es, stamme aus einer besseren Welt, aus einer mythologischen, vielleicht auch religiösen. Mitleid und moderne und kapitalistische Gesellschaft: das kann nicht sein, soll nicht sein. Nicht der mitleidige Mensch ist von dieser Welt, sondern der Entfremdete, der Fremde, der Egoist, der über Leichen zur Bank schreitet und emotionslos am Fernsehen die Leiden entfernter Welten konsumiert. Mitleidige Menschen sind Überbleibsel vergangener Zeiten, Heilige, die noch nicht verstanden haben, dass die Welt modern ist, worin jeder sich selbst der Nächste ist. Weltkriege, Völkermord, das größte Verbrechen der Menschheit, die Vernichtung der europäischen Juden, und weiter so, Massenmord nach Massenmord. Es scheint, als ob die Abgründe des Bösen sich immer weiter öffnen. Mitleid? Allein der Klang des Wortes hört sich so weit entfernt an wie die letzte Bibelstunde.
Aktualisiert: 2022-02-16
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Deutsch-Jüdisch

Deutsch-Jüdisch von Welker,  Andrea, Zimmermann,  Moshe
„Der Unterschied zwischen euch deutschen und uns polnischen Juden“, erklärte mir einmal mein Doktorvater, der damalige Doyen der israelischen Historiker, Jacob Talmon, „liegt darin, daß ihr zur nichtjüdischen deutschen Kultur von unten nach oben hinaufgeschaut habt, während wir auf die polnische Kultur von oben nach unten hinabgeschaut haben.“ Diese Worte fielen im Jahre 1972, lange nach 1933, lange nach 1945. Und natürlich verbarg sich hinter dem hinabschauenden „Wir“ für Jacob Talmon (früher Fleischer), der 1916 in polnischen Landen geboren worden war, eher ein konkretes Kollektiv als für mich, den 1943 in Jerusalem geborenen Sohn deutscher Juden. Talmons Worte verraten viel über die Beziehungen zwischen den „Jeckes“, den „echten deutschen Juden“, und den „Ostjuden“ in der Diaspora oder auch später in Israel. Sie sind eine prägnante Aussage über die Nachhaltigkeit jüdischer Identitäten, vor allem aber über das Idealbild der sogenannten deutsch-jüdischen Symbiose und deren Klischees.
Aktualisiert: 2019-03-26
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Watteaus Pilgerfahrt zur Insel der Liebe

Watteaus Pilgerfahrt zur Insel der Liebe von Elias,  Norbert, Korte,  Hermann, Welker,  Andrea
Watteaus Pilgerfahrt zur Insel der Liebe Zu den berühmtesten Bildern Antoine Watteaus gehört ein Gemälde im Louvre, das weithin unter dem Namen »L'embarquement pour l'isle de Cythere« bekannt ist. Es gibt zwei andere Versionen dieses Bildes von Watteau, eine davon in Berlin. Angeregt durch Theaterstücke und vielleicht auch durch Ballette hat ihn das Thema dieser Liebesinsel offenbar beschäftigt – ihn und seine Zeitgenossen. Diese drei Bilder gehören zu den malerischen Darstellungen einer Utopie. Aber es handelte sich bei dem modernen Mythos von der Fahrt zur Liebesinsel nicht um eine Utopie berufstätiger Schichten, die sich eine zukünftige bessere Gesellschaft ausmalten, sondern um eine Utopie nach dem Geschmack eines vorwiegend höfischaristokratischen Publikums, das von der Berufsarbeit zum Lebenserwerb weitgehend freigesetzt war. Es hatte daher auch mehr Zeit für die Beschäftigung mit menschlichen Zwängen wie dem der Liebe und für gesellschaftliche Wunschträume, die um dieses Thema kreisten. Zu ihnen gehörte der Wunschtraum von dem einfacheren Leben eleganter Schäfer und Schäferinnen, der gelegentlich mit dem von der Insei der Liebesgöttin verschmolz. Aber der letztere hatte zugleich auch von langer Hand als eine Art von kollektiver Utopie sein eigenes Schicksal, seine eigene Funktion und Gestalt. Die Insel Kythera war schon sehr früh, wohl schon seit dem dritten Jahrtausend die Kultstätte einer großen Gottheit. Nordwestlich von Kreta gelegen in Sichtweite des Peloponnes, mag sie frühen Seefahrern als willkommener Ankerplatz gedient haben. Sie scheuten sich damals vor dem offenen Meer, fuhren lieber soweit es nur ging an den Küsten entlang von Insel zu Insel. Seefahrer trugen dann wohl den Ruhm der wundertätigen Göttin auf der Insel Kythera in die Weite. Um deren Gunst mag man sich damals nach altem Brauch mit Tieropfern, wenn nicht mit Menschenopfern, bemüht haben, und vielleicht auch durch Vermittlung von jungen Priesterinnen, die hilfesuchenden Fremden ihre Liebe gaben – gegen angemessene Geschenke, die alte Form der Bezahlung. Heute spricht man von Tempelprostitution. Aber auch Götter samt ihren Priestern und Priesterinnen mußten leben. Ausgrabungen auf der Insel Kythera sind noch im Gange. Sicherlich befand sich dort eine sehr alte Kultstätte mit weiten Verbindungen. Bereits im Zeitalter des Pyramidenbaus hatte sie Beziehungen zu einer Kultstätte Ägyptens. Eine babylonische Inschrift aus der ersten Hälfte des zweiten Jahrtausends scheint eine Bitte für das Leben eines mesopotamischen Königs zu enthalten. Herodot berichtet von einem phönizischen Heiligtum auf der Insel Kythera. In klassischer Zeit existierte dort ein Kultzentrum der Aphrodite. Sie ist erwähnt in einer uns überlieferten Mitteilung des alten Pausanias. Diese Mitteilung war möglicherweise verantwortlich dafür, daß über die Jahrtausende hin die Vorstellung von der Insel Kythera als einem Ort der Wallfahrt zur Göttin der Liebe zu uns gelangte. An die Stelle der realen Kultstätte trat nun das Bild der Insel Kythera als Symbol einer imaginären Kult-Stätte der Liebe, zu der die jungen Paare pilgerten; sie wurde zum Symbol eines Wunschbildes, einer säkularen Utopie. Watteaus Bild ist deren Spiegelung. Es gibt vielerlei Zeugnisse für die eigentümliche Kontinuität, die das ferne Altertum mit unserer Zeit verbindet. Watteaus Bild ist ein Zeugnis für diesen Zusammenhang und zugleich für den Wandel. Die rauhere Wirklichkeit wird zu einem wunderschönen und vergleichsweise sanften Bild. Die Kultstätte der furchterregenden und heilver-sprechenden Liebesgöttin verwandelt sich in das Traumbild einer Stätte, zu der Liebespaare pilgerten, um die Freuden der Liebe ohne ihre Schmerzen zu erleben. Aber selbst hier verband sich mit dem Bild der Liebesinsel noch ein Anflug von Furcht, noch das Gefühl einer Gefahr. In Frankreich wie in Italien gab es eine alte Tradition von der schwierigen Fahrt, die den Reisenden nach der Insel der Liebesgöttin bevorstand. Oft entschwand sie wieder, wenn man glaubte, schon nahe am Ziel zu sein. Mag sein, daß Watteau etwas von dieser Tradition wußte. (…)
Aktualisiert: 2020-05-18
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Zwei Reden in Weimar

Zwei Reden in Weimar von Heidenreich,  Gert, Welker,  Andrea
Enthält: Heimat als Fremde. Re­de am 21. März 1999 im Deut­schen Na­tio­nal­thea­ter Wei­mar in der Rei­he Lear und Faust – Zwei Narren? Eine Rede im Krieg, gehalten am 22. April 1999 zur Eröffnung der Shakespeare-Tage in Weimar Leichter fiele mir die Rede über das Land, in dem ich wohne, wenn ich unbefangen an diesem für die Deutschen mythischen Ort darlegen könnte, daß ich hier längst schon Heimat vermutet hätte, bevor die Mauer niederging und den Blick freigab auf das Ende von Ideologie, Intoleranz und Idylle. Nicht geistige Heimat bloß – das fällt leicht, denn die beiden Heroen des Ortes ergänzen einander ja so vorteilhaft, daß man sich auch in beliebigen und grundlosen Zeiten wie der unseren gern von ihnen beschienen sein ließe. Nein, örtliche, konkrete Heimat, den Klang der Straßen, die Farbe der Luft meine ich – warteten wir nicht darauf, hier wieder zu sein? Wahr ist, daß ich daran so wenig geglaubt habe wie die meisten Bürger der Bundesrepublik; daß ich mich, gleichfalls wie die meisten, nicht nach einer Vereinigung sehnte. Ich wollte nur, wenn ich zu Besuch kam, nicht immer mit den Grenzern und ihrer spießigen Arroganz konfrontiert werden, jenen Allmachtsgescalten mit Schäferhunden in verschlossener Landschaft, die nach Polizeistaat roch. Wahr ist, daß ich mit meinem Geburtsort Eberswalde keinerlei Empfindung verband. Aber wahr ist auch, daß der Westen, in dem ich aufwuchs, mir ebenso wenig zur Heimat geworden ist. Deutsch sein war für mich die meiste Zeit meines Lebens ein unheimatlicher Zustand. Ich habe nun Anlaß, den Gründen dafür nachzuspüren. Doch wovon ist, wenn die gemeinte Geborgenheit in Land und Kultur beschworen wird, noch die Rede? Ist nicht der Begriff der Heimat durch unser demagogisches Jahrhundert derart pervertiert und für das Kommende durch Wekvernetzung so entleere worden, daß ihm ohnehin keine Bedeutung mehr zukommt? Merkwürdig nur, daß wir dennoch fast alle eine Erinnerung an Gegenden in uns tragen, in denen wir uns glücklich aufgehalten haben, uns zumindest wohl, wenn nicht angenommen und aufgehoben fühlten, mit denen wir vertraut waren oder sind, wie sie mit uns vertraut zu sein schienen – eine Gewißheit, eigentümlich amalgamiert aus Landschaft, Sprache, Gerüchen und Licht – jene Legierung der Kindheit eben, die wir Heimat nennen. Und wo wir solcher Erinnerung entbehren, wüßten wir doch zumindest unsere Sehnsucht danach zu beschreiben.
Aktualisiert: 2019-07-10
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Peter Konwitschny – »Mensch, Mensch, Mensch!«

Peter Konwitschny – »Mensch, Mensch, Mensch!« von Welker,  Andrea
[ | Bibliothek der Provinz. Hrsg. von Andrea Welker. Mit Beiträgen von Hendrik Adler, Carmen-Maja Antoni, Hella Bartnig, Bartók Béla, Bettina Bartz, Christoph Becker, Ruth Berghaus, Helmut Brade, Beate Breidenbach, Gerhard Brunner, Ulrich Burkhardt, Annedore Cordes, Mário Vieira de Carvalho, Friedewald Degen, Thomas Delekat, Bettina Ehrhardt, Renate Fabriz-Fischer, Bernd Feuchtner, Ingo Gerlach, Ute Haferburg, Johannes Harneit, Dietrich Henschel, Werner Hintze, Siegfried Höfling, Ioan Holender, Kerstin Holm, Meisje Hummel, Hans-Joachim Irmer, Peter Jonas, Yvonne Kálmán, Frank Kämpfer, Axel Kiefer, Kitagawa Chikako, Alexander Kluge, Jörg-Michael Koerbl, Peter Konwitschny, Dieter Kranz, Reinhold Kreile, Bernd Krispin, Georg-Friedrich Kühn, William Lacey, Wolfgang Lange, Johannes Leiacker, Albert Lortzing, Hans-Joachim Maaz, Maria Gabriella Mafara, Karl Marx, Ingo Metzmacher, Gerard Mortier, Peter Mosimann, Oskar Negt, Bert Neumann, Marlis Petersen, Kirill Petrenko, Albrecht Puhlmann, Rolf Ricke, Gerd Rienäcker, Andrea Rolz, Ingolf Rosendahl, Wolfgang Scharfenberg, Hans-Joachim Schlieker, Wolfgang Schreiber, Bo Skovhus, Edward Snowden, Doris Soffel, Claus Spahn, Michael Stein, Michael Struck-Schloen, Tamura Yukie, Juliane Votteler, Helene Weigel, Alexander Weil, Andrea Welker, Hanna-Sophie Welker, Heinz Weyringer, Lothar Zagrosek und Vladimír Zvara.] (Peter Konwitschny)
Aktualisiert: 2021-07-20
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André Navarra und die Meisterschaft des Bogens

André Navarra und die Meisterschaft des Bogens von Baillie,  Alexander, Engerth,  Rüdiger, Erben,  Valentin, Kitt,  Florian, Kühne,  Tobias, Welker,  Andrea
In diesem Buch kommt André Navarra selber zu Wort. Er berichtet aus seinem reichen Leben, vom Werdegang eines jungen Musikers im Paris der Zwischenkriegszeit, von seinen Begegnungen mit den großen Cellisten seiner Zeit, wie Emanuel Feuermann und Pablo Casals, sowie über seine pädagogischen Erfahrungen. Berichte seiner Schüler, ein reicher Bildteil und eine ausführliche Discographie runden das Buch ab.
Aktualisiert: 2019-01-02
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George Tabori · Chronik

George Tabori · Chronik von Welker,  Andrea
Die letzte Reise Was packst du für die letzte Reise? Ein Bild mit Hund und Kind, Den Brief, der meinte, was sie sagte, All ihre Haare, wie sie roch, als wir uns paarten, Ach ja, die Paste und die Bürste, Denn Zähne überleben das Herz Und grinsen aus dem Schädel. Nimm nichts, reise leicht. Nimm nichts, reise leicht, sagen die Weisen. Ich meine, der Tod ist ein Meister Zwischen ihren Beinen. Nimm nichts, reise leicht. ()
Aktualisiert: 2019-07-23
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