Absolute Lyrik
Die Entwicklung poetischer Sprachautonomie im deutschen Gedicht vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart
Jürgen H. Petersen
Absolute Dichtung, gelegentlich auch als abstrakte Dichtung bezeichnet und dann in eine enge Beziehung zur gegenstandslosen Malerei gerückt, realisiert ihre poetische Abwendung von den Vorgaben der Realtiät, von konkreten Sachverhalten und logischen Zusammenhängen auf vielfache Weise.
Die vorliegende Studie zeigt am Beispiel absoluter Lyrik, dass dabei vor allem zwei Wege beschritten werden. Der eine führt zum surrealen und hermetischen Gedicht, das eine wirklichkeitsferne, selbständige Sinnsphäre konstituiert. Der andere führt über die Konstruktion eines sich nach und nach von der Norm- und Normalsprache lösenden Mediums hin zu einem autonomen poetischen Idiom, das sämtliche Beziehungen zur gewohnten Alltagssprache gekappt hat.
Diese Entwicklung beginnt mit dem ästhetischen Subjektivismus im 18. Jahrhundert, also vor allem bei Klopstock, bildet einen ersten Höhepunkt in der späten Hymnendichtung Hölderlins und prägt romantische Texte, z.B. mit Hilfe von Einsprengseln sinnferner oder sogar sinnfreier Verse wie in Brentanos Gockel-Märchen. In Symbolismus und Expressionismus, vor allem aber durch die Dada-Bewegung wird die Entfaltung autonomer Sprachlichkeit vorangetrieben, die dann im hermetischen Gedicht Meisters, Celans und Arendts sowie in den Sprachexperimenten visueller Lyrik und konkreter Gedichte der 60er bis 80er Jahre gipfelt.