Acht Erwachungen
Fünf Erzählungen und ein Protokoll. Mit einem Vorwort von Katrin Schuster
Katja Huber
Es war irgendwann um die Jahrtausendwende, ein paar Jahre vorher oder nachher, von heute aus betrachtet völlig unwichtig. Die Leute liefen auf jeden Fall noch nicht ausnahmslos mit flachen Rechtecken vorm Kopf durch die Gegend, um sich ein Bild zu machen, und es existierten noch Augenblicke und Orte, in und an denen wir uns nicht per Knopfdruck ins Gedächtnis einer beliebigen Person rufen, in deren Gefühlsleben einmischen, deren Alltag unterbrechen konnten.
Ich war besessen von den Gedichten und Geschichten von Richard Brautigan, von den Kürzestgeschichten und »Fällen« von Daniil Charms, von Nabokovs Schmetterlingen und allen anderen Dingen mit Flügeln und einem Herzen.
Ich war noch niemals in New York gewesen, malte mir aber täglich aus, wie es wäre, an einem unspektakulären Sommernachmittag in Manhattan Woody Allen über den Weg zu laufen, ihn mit nur einem genialen Satz oder besser noch mit einer einzigen Geste in einen Dialog zu verwickeln, einen intellektuellen natürlich, der, in Form von Gesprächen, Telefonaten und schreibmaschinen-getippten Briefen über Jahre andauern würde und erst mit dem Tod – rational betrachtet: mit seinem, weniger rational betrachtet: mit meinem, romantisch betrachtet: mit unser beider, enden würde.
Ich malte mir sehr sehr viel aus, ein paar Dinge aber waren klar:
Daniil Charms und Richard Brautigan waren tot.
Vladimir Nabokov auch.
Woody Allen war in meinem Leben omnipräsent, ich in seinem nichtexistent.
All das würde sich niemals ändern.
Nicht nur im tiefsten Inneren spürte ich, dass das völlig ok war.
Alles, was, und alle die uns beschäftigen sind eh da, passieren, finden statt.
Momentan würden sich vermutlich weder David Bowie noch bisexuelle Rabbiner in eine meiner Geschichten verirren, ohne eine Großmutter komme ich bis heute schwer aus.
»Acht Erwachungen« versammelt fünf teils frühe Erzählungen von Katja Huber, die bisher noch nicht in Buchform veröffentlicht wurden.