Altes Testament und völkische Frage
Der biblische Volksbegriff in der alttestamentlichen Wissenschaft der nationalsozialistischen Zeit, dargestellt am Beispiel von Johannes Hempel
Cornelia Weber
Die Zeit des Dritten Reichs stellte die alttestamentliche Wissenschaft vor die Existenzfrage. Die völkische Ideologie, die mit der nationalsozialistischen Machtübernahme staatstragend geworden war, verwarf die Schriften des Alten Testaments als jüdisches Buch. Die alttestamentliche Wissenschaft sah sich deshalb gezwungen, ihre Arbeit inhaltlich und theologisch zu legitimieren. Viele Alttestamentler versuchten daher, eine bleibende Bedeutung des Alten Testaments mit der in ihm zum Ausdruck kommenden besonderen Stellung des Volksgedankens zu begründen. Cornelia Weber untersucht die Entstehung des völkischen Gedankens und den sogenannten ‚Streit um das Alte Testament‘. Sie konzentriert sich dabei auf Person und Werk des Alttestamentlers Johannes Hempel (1891-1964), der sich als Professor für Altes Testament und als Herausgeber der Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft in der Zeit der Weimarer Republik einen Namen gemacht hat. Der Weg seines politischen Engagements führte Johannes Hempel 1933 zu den Deutschen Christen und machte in der Nachkriegszeit eine wissenschaftliche Karriere weitgehend unmöglich. Vor diesem Hintergrund reflektiert Cornelia Weber das wissenschaftliche Werk Hempels und macht deutlich, wie sehr sich in der Auslegung des biblischen Volksbegriffs während des Nationalsozialismus wissenschaftliche Fragestellungen mit biographischen und politisch-zeitbedingten Aspekten verbanden. Johannes Hempel sah nämlich keinen Widerspruch zwischen seiner Arbeit am Alten Testament und seinem politischen Engagement für den nationalsozialistischen Staat. Er entnahm den alttestamentlichen Schriften den göttlichen Auftrag, sich für die eigene Volksgemeinschaft verantwortlich zu fühlen.